Die Rüstungsfirma am Bodensee hat größte Bedeutung erlangt. Doch der Einfluss deutscher Politik ist längst verwirkt.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Innerhalb eines Kriegsjahres ist aus einer Art Stiefkind der baden-württembergischen Industrie ein systemwichtiges Unternehmen geworden. Würde die in Friedrichshafen beheimatete Fabrik Rolls-Royce Power Systems, vormals bekannt als MTU, Schmiede deutscher Panzermotoren, neuer deutscher Mitgarant für die Wehrhaftigkeit Europas, heute zum internationalen Verkauf angeboten werden, das Bundeskabinett müsste sofort mit einem Verbot einschreiten.

 

Aus Imagegründen wurde immer tiefgestapelt

Diese Möglichkeit ist gründlich verbaut, und das schon lange. Die Friedensjahre haben den Rüstungshersteller MTU fest im Wahrnehmungsschatten deutscher Politik gebannt. Das hochprofitable Werk, das aus Imagegründen stets mehr auf seine großen Schiffsdieselmotoren verwies und über den Bau der Panzerantriebe größtmögliches Stillschweigen breitete, ist nach der Jahrtausendwende zum Dukatenesel wechselnder Anteilseigner geworden. Zur Erinnerung: 2005 verkaufte Daimler die Fabrik an einen Finanzinvestor, der brachte die Rüstungsschmiede als Tognum AG an die Börse. Dann stieg Daimler wieder ein, gründete ein Joint Venture mit Rolls-Royce, nahm Tognum wieder von der Börse, verkaufte 2014 schließlich alle Anteile an die Engländer. 2020 kam es zum Brexit, seitdem sind die Friedrichshafener eine Geschäftseinheit, die von außerhalb der Europäischen Union gelenkt wird.

Die deutsche Politik ist Zuschauerin

Dass der schlingernde Flugzeugturbinen-Hersteller mit Sitz in London jetzt danach trachtet, die Margen seines Bodensee-Ablegers größtmöglich in die Höhe zu treiben, passt zur jüngeren Geschichte des Werks mit seinen 5500 Angestellten. Die deutsche Politik ist Zuschauerin. Sicher: Sie sollte ihre diplomatischen Kanäle nach Großbritannien aktivieren. Daneben kann sie hoffen, dass die Rolls-Royce-Gruppe ihre Probleme rasch selbstständig meistert. Womöglich aber wird der Bund, wenn er demnächst Großbestellungen für neue Leopard-Panzermotoren aufgibt, zugleich in Verhandlungen über staatliche Zugeständnisse gezwungen. Die Fehler der Vergangenheit könnten noch schmerzhafte Folgen haben.