Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Der von der Obrigkeit eifrig mit geschürte Rassenhass sollte zwei Jahrhunderte später im Holocaust gipfeln: Auf 250000 bis 500000 Menschen wird die Zahl der Roma und Sinti in Europa geschätzt, die während des Zweiten Weltkriegs in Konzentrationslagern ermordet wurden. In Mitteleuropa waren die Roma nach Ende des Nationalsozialismus auf eine kleine Minderheit geschrumpft. Im überwiegend sozialistisch regierten Südosteuropa wurde offiziell die Emanzipation der Volksgruppe verkündet. Verstärkte Bildungsanstrengungen ließen in Jugoslawien einige Roma den sozialen Aufstieg schaffen. Dank der staatlich orchestrierten Industrialisierung und der Kollektivierung der Landwirtschaft fanden Roma in den neuen Fabriken und den großen Agrarkombinaten Lohn und Brot.

 

Doch das Ende des Kalten Kriegs und des realsozialistischen Staatenmodells, die Wirtschaftstransformation und die Kriege im zerfallenden Jugoslawien Anfang der 90er Jahre sollten die Minderheit besonders hart treffen. Der Bankrott unrentabler Staatsunternehmen und Landkombinate sollte vielen Roma das Los der Dauerarbeitslosigkeit bescheren: Ungeschulte Hilfs- und Landarbeiter sind nicht mehr gefragt. Sinkende Staatsinvestitionen in den Bildungssektor gehen in den ex-sozialistischen Staaten mit einer feindlich gesinnten Umwelt und wachsendem Nationalismus einher. Der Grad der Diskriminierung ist von Land zu Land verschieden. Während nationalistische Parlamentsparteien in Ungarn und Bulgarien ungestraft den Rassenhass schüren können, ist die öffentliche Diskriminierung von Roma beispielsweise in Serbien verpönt.

Doch grenzüberschreitend gleich ist die triste soziale Lage der Roma: Deren zunehmende Verelendung bekommen die westeuropäischen Staaten in Form ungewünschter Zuwanderer immer stärker zu spüren. Die Wohlstandsschere zwischen Roma und dem Rest der Bevölkerung klafft in allen Staaten Mittel- und Südosteuropas immer weiter auseinander: Während der Hasspegel gegen Europas ungewolltes Volk weiter steigt, werden Arbeitslosigkeit, Analphabetentum und Armut zunehmend "romanisiert".