Als „Tatort“-Kommissar steht einem Axel Milberg vor Augen? Aber was taugt er als Autor? In seinem ersten Roman „Düsternbrook“ erinnert er sich an seine Kindheit in Kiel.

Stuttgart - Adorf, Bierbichler, Berkel, Liefers, Meyerhoff, Tukur, sogar Andrea Sawatzki und Miroslav Nemec: Viele Schauspieler (und praktisch alle Fernsehkommissare) schreiben heute Romane und Erzählungen. Die klassische narzisstische Selbstbespiegelung überlassen die Theaterprofis ungehobelten Gangsterrappern und Fußballern: Der noble Mime flicht sich lieber Kränze aus gespielter Authentizität. Oder wie es Matthias Brandt in seiner „Raumpatrouille“ ausdrückte: „Alles, was ich erzähle, ist erfunden. Einiges davon habe ich erlebt.“ Auch bei seinem Kommissarkollegen Axel Milberg gehen Dichtung und Wahrheit munter durcheinander. Was Schauspiel und Rollenprosa, Inszenierung oder tief empfundenes Gefühl ist, bleibt offen. Es spielt aber auch eigentlich keine Rolle. Milbergs Vater war nicht gerade Bundeskanzler, aber ein bekannter Scheidungsanwalt in Kiel. Aber der Werbeslogan „Kannst du deine Frau nicht leiden, geh zu Milberg, lass dich scheiden“ ist wohl doch eine Erfindung seines Sohns.

 

Im Hause Milberg gingen Grafen und Generaldirektoren aus und ein; die vornehme Welt der Herrensitze, Salons und Treibjagden war Axel von Kindesbeinen an geläufig. Aber als 1956 geborenes Nachkriegskind kannte er auch die Abgründe und Ängste des Kleinbürgers, so wie später den jugendlich-rebellischen Überdruss an bundesdeutschem Spießertum und norddeutscher Kälte. Milberg hatte eine glückliche Kindheit, aber in Düsternbrook konnte er nicht bleiben. Das Villenviertel an der Kieler Förde war ein Hort von Wohlstand, Sicherheit und Geborgenheit, aber Axel war ein sensibles, ängstliches Kind, und damals lauerten unter allen Treppen und Teppichen die Gespenster einer unbewältigten Vergangenheit. Im Wald trieb sich angeblich ein Serienmörder herum, ein Klassenkamerad verschwand einmal spurlos und hängte Tage später übel zerschlagen an der Teppichstange von Frau Knüppel. Axel selber wurde in seinen Albträumen von einem sadistischen Zwerg verfolgt. Ein Vortrag von Erich von Däniken brachte ihm Gewissheit: Die Aliens leben längst unter uns.

Auch die Abiturrede kommt vor

Milberg fühlte sich selbst oft als Außerirdischer; auch in München an der Uni blieb er zunächst einsam. Das Theater wurde für ihn zur Befreiung. Hier war alles möglich: Die Zeit dehnen und anhalten, „das machen, was man will. Sich nicht schämen, für nichts mehr schämen.“

„Düsternbrook“ ist ein stilistisch heterogenes Zwischending zwischen Roman, Memoir und Familienalbum, alles andere als eine kompakte, chronologisch erzählte Autobiografie. Es enthält, mal in Ich-, mal in Er-Form, Kindergeschichten, Schulanekdoten, Porträts, Milbergs Abiturrede, Radiodialoge, Traumprotokolle und nahezu kafkaeske Erzählungen. Milberg erzählt dabei so trocken, nüchtern, ernst- und rätselhaft, wie er den „Tatort“-Ermittler Borowski spielt: immer ein wenig verschmitzt, frei von bräsiger Nostalgie, Ironie und später Besserwisserei. Aber so richtig nahe rückt uns der Erzähler nicht.

Axel Milberg: DüsternbrookRoman. Piper Verlag, München. 283 Seiten, 22 Euro.