Romantik-Museum in Frankfurt Nachts im Museum

Direkt neben dem Goethehaus (rechts) ist jetzt in Frankfurt das Romantik-Museum zu Hause. Foto: Alexander Paul Englert

Ein Romantik-Museum hat es in Deutschland bisher noch nicht gegeben. Jetzt steht es in Frankfurt am Main neben dem Goethehaus. Nichts wie hinein!

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Stuttgart - Zur landläufigen romantischen Vorstellung von heute gehört neben der Konsumation eines Sonnenuntergangs am Meer (die Werbung würde ein E-Cabrio durchfahren lassen), auch die verbreitete Annahme, dass eine Gedichtzeile aus heiterem Himmel gefallen kommt. Dabei weiß man zum Beispiel vom oft als Spätromantiker empfundenen Paul McCartney, wie viel Arbeit es brauchte, bis aus „Scrambled Eggs“ auf harmonischen Umwegen das legendäre „Yesterday“ wurde.

 

Hunderte von Versuchsvokabeln

Magie, nicht zufällig ein Schlüsselwort der genuin romantischen Kunstepoche von 1795 bis ungefähr 1835, hat eben einerseits mit Manufaktur zu tun, aber auch mit Manipulation. Gewusst, wie! – lautete die Parole für die Setzung von Worten, Klängen und Bildern. Gleichwohl hätte man sich im nunmehr ersten deutschen Romantik-Museum in Frankfurt am Main das Manuskriptpapier doch nicht ganz so eng und kreuz und quer beschrieben vorgestellt wie jenes Original, aus dessen Beständen der Beamte Joseph von Eichendorff nach viel Getüftel einen unsterblichen Vierzeiler gewann:

„Schläft ein Lied in allen Dingen,/Die da träumen fort und fort,/Und die Welt hebt an zu singen,/Triffst du nur das Zauberwort.“

„Wünschelrute“ von 1835 ist die Essenz aus hunderten Versuchsvokabeln, die Welt und das Ich miteinander in intensivste Beziehung zu setzen, ein Über-Klang aus tausend Klängen als Einfachstakkord – und steht nicht zufällig am Ende einer multimedial stets erklärungsbereiten Museumsroute. Eindeutig wird der Blick gelenkt auf die Vorstufen des Gedichts, das sich selbst als Ergebnis wieder in einen Zustand quasi reiner Unschuld zu bringen scheint – fast ein Naturprodukt. Wer den Schreib-Prozess verfolgt, steht, wie oft hier, an einem interaktiv ausgestatteten Holzpult, dem Leitmotiv der Schau, wie in einem Labor.

Auf der Suche nach der „blauen Blume“

Gezeigt wird, wie Gefühle produziert wurden – und nichts anderes hatte der in Frankfurt viel zitierte Novalis im Sinn, als er dekretierte, die Welt müsse nun mal „romantisiert“ werden. Diese ästhetische Setzung zu heftigsten Kriegszeiten bringt nicht nur die erwünschte Schönheit, Naturverbundenheit, Seelenschau (als Vorstufe der Psychoanalyse) und die berühmte blaue Blume (aus Novalis‘ „Heinrich von Ofterdingen“) hervor, sondern auch Gemeinheitsgestalten wie Clemens Brentano. Der bietet Karoline von Günderode 1816 brieflich an, ihr Blut zu trinken, womit er den in der Ausstellung ebenfalls thematisierten Vampirismus der Schauerromantik vorwegnimmt. Brentanos männliche Selbstermächtigung indes nützt ihm in diesem Fall wenig. Kühl und schlau kontert die Günderrode die Lektüre: „ . . . doch war ich mehr denkend als empfindend dabei: denn es war mir, als ob dieser Brief gar nicht für mich geschrieben sei.“

Die Erfindung des Automaten-Menschen

Identitätsverlust respektive die Aufspaltung des Ichs – wiederum sehr modernes Sujets – sind in der Romantik Riesenthemen. Manche verkaufen ihren Schatten (wie Chamissos Peter Schlemihl), manche müssen mit ihrem Doppelgänger leben (wie bei E.T.A. Hoffmann, der gleich noch die Automaten-Menschen erfindet). Die Geschichte des Aliens, das Genre Fantasy und im Prinzip auch der Horror-Film beginnen mit der Romantik, von der Überhöhung des Subjektiven und der Spiritualität nicht zu reden. Der Antisemitismus – Achim von Arnims Deutsche Tischgesellschaft von 1811 nahm keine Juden auf – manifestiert sich auch schon.

Wie viel Romantik ist drin?

Goethe, nicht wenig fixiert auf sein Ich, hielt die Nachfolger(innen) partiell für mindestens überspannt, wenn nicht krank. Von heute aus gesehen jedoch ist es nur folgerichtig, Klassizismus und Romantik aufeinander zu beziehen. Das gelingt in Frankfurt mittels eines architektonischen Tricks. Teile des Goethegeburtshauses sind mit dem neuen Museum verbunden. Durch die Wände, also sehr romantisch, gehen die Ausstellungen im Erdgeschoss ineinander über, und im 3. Stock leuchtet herrlich intensiv die Partitur von Robert Schumanns „Faust“-Szenen auf. Auf der Treppe hinauf meint man eine Nachtigall trapsen zu hören, deren Gesang sich aber als Attrappe in Form einer Musikmaschine entpuppt. Es ist nicht immer (ja, fast nie, wie Heinrich Heine auf kleinen Tafeln beim Rundgang allweil spottet) Romantik drin, wo Romantik draufsteht.

Und dann hinaus in den Garten

Weiter erwähnenswert an dieser bis in Detail durchdachten Ausstellung wäre unendlich viel: angefangen von den Dachfenstern, die Blickverbindungen zu Historie (Paulskirche) und Gegenwart (EZB) halten, bis hin zu den vielen Partizipationsmöglichkeiten für die Besucher. Man muss kein Germanist oder Historiker sein, um hier helle Freude zu haben an der Kunstvermittlung, deren romantischer Hintergrund bis heute massiv in unseren Alltag hineinspielt, bis hin ins Marketing.

Anne Bohnenkamp-Renken, die Direktorin des Deutschen Hochstifts, und der Architekt Christoph Mäckler, der gerade einmal 12 Millionen Euro für seinen fantasievoll-pragmatischen Neubau (plus Romantikgarten) zur Verfügung hatte, bescheren der Stadt Frankfurt ein Kleinod und der Welt einen zentralen Weg zu einer europäischen Epoche: Wer sehen und hören will, kann fühlen – und mitunter in mancher Hinsicht sein blaues Wunder erleben.

Deutsche Romantik-Museum und Goethe-Haus Frankfurt

Galerien
 Im Obergeschoss der so genannten Romantik-Galerie antworten im Romantik-Museum die Maler Caspar David Friedrich, Johan Christian Dahl und Carl Gustav Carus gewissermaßen auf die Galerie mit Bildern aus der Goethe-Zeit, die sich im Erdgeschoss findet. Dort sind von Angelika Kauffmann und Anton Graff bis J.H.W. Tischbein viele Künstler zu finden, die seinerzeit geschätzt wurden.

Öffnungszeiten
 Der Eintritt für das Goethe-Haus und das Deutsche Romantik-Museum beträgt 10 Euro (ermäßigt 5 Euro). Geöffnet ist von Dienstag bis Sonntag 10-18 Uhr; Donnerstag 10-21 Uhr. Montag ist Ruhetag. Ein Corona-Negativnachweis ist notwendig, Maske ist Pflicht. Ein Katalog ist vorläufig noch nicht erschienen.

www.deutsches-romantik-museum.de

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