Mit 13 Jahren schrieb sie in ihr Tagebuch: „Ich muß auf jeden Fall einmal Schauspielerin werden.“ Später wurde für den Star Romy Schneider auch das Leben zum Spiel – wie der Blick in einen Bildband mit vielen aufregenden Aufnahmen zeigt.
Stuttgart - Gerade sind auf vielen Kanälen wieder zahlreiche Experten unterwegs, die behaupten, sie könnten Auskunft geben, wie sie „wirklich“ gewesen sei, diese Romy Schneider, „tief im Inneren“, „ganz privat“. Anlass ist der achtzigste Geburtstag, den Schneider am 23. September gefeiert hätte, wäre sie nicht vor über 36 Jahren, am 29. Mai 1982 in Paris, bereits verstorben; kein selbst verursachter Tod, wie einige Zeit lang vermutet wurde, sondern wohl tatsächlich schlicht an Herzversagen – ach ja, natürlich, an „gebrochenem Herzen“, wie besagte Experten an den entsprechenden Stellen dann raunen.
Aber ist das denn möglich, etwas „Wirkliches“ über eine Frau zu sagen, die schon mit 13 Jahren in ihr Tagebuch schrieb: „Ich muß auf jeden Fall einmal eine Schauspielerin werden. Ja! Ich muß!“ Zwei Jahre später, nachdem ihr Jungmädchen-Debüt in dem Heimatfilm „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“ ein Erfolg war und sie gerade in Dreharbeiten zum nächsten Film „Feuerwerk“ steckte, schrieb sie: „Ich weiß, dass ich in dieser Schauspielerei aufgehen kann. Es ist wie ein Gift, das man schluckt und an das man sich gewöhnt und das man doch verwünscht.“ Man muss vermuten, dass für Romy Schneider das Wirkliche schlicht im Spiel, in der Darstellung bestand. Deswegen gibt es aus ihrem Leben so viele aufregende Schauspiel-Bilder (die gerade im Verlag Schirmer/Mosel in einem neuen Buch zusammengestellt wurden).
Aus feministischer Sicht hochinteressant
Und selbst wenn der Fotograf sie wirklich mal in einem nicht offiziellen Moment ertappt haben sollte und deswegen keine Pose mehr möglich ist, merkt man sofort, wie sie versucht, zumindest eine Haltung einzunehmen. Nein, über die „echte“ Romy Schneider weiß die Öffentlichkeit wohl nichts. Aber als Objekt unserer Projektionen funktioniert sie erstaunlicherweise noch heute, besagte 36 Jahre nach dem ultimativen Ende ihres künstlerischen Schaffens. Am interessantesten ist zweifellos, dass die Schneider gerade aus feministischer Sicht eine hochinteressante Figur ist: Ihr gerade mal 43-jähriges Leben kann als Weg einer Frau betrachtet und gelesen werden, die um ihre Ausstrahlung und Attraktivität weiß, die sich aber Schritt für Schritt aus der Fremdbestimmung befreit, um eine eigene Vorstellung von Autonomie zu entwickeln.
Ihr Konzept der deutschen Grande Dame, das Romy Schneider so erfolgreich in den siebziger Jahren im französischen Film umzusetzen wusste und das ihr bei den Deutschen so viel Häme und Feindschaft bescherte, war ihr Versuch einer Emanzipation in einer Zeit, da es kaum Vorbilder für Emanzipation solcher Art gab.
Für eine Frau des Jahrgangs 1938 war in aller Regel eben auch Autonomie nur als darstellendes Spiel möglich. Eine Frau des Jahrgangs 1942 begann allerdings just Anfang der siebziger Jahre, andere Möglichkeiten weiblicher Autonomie vehement einzuklagen: Alice Schwarzer. In einem Gespräch der beiden Frauen miteinander 1976 fällt ein inzwischen berühmter Satz Romy Schneiders: „Wir sind die beiden meistbeschimpften Frauen Deutschlands.“ Man kann diese Behauptung nicht exakt überprüfen. Aber das Bild darin leuchtet sofort ein.
Adieu Romy – Portraits und Filmbilder. Verlag Schirmer/Mosel. Mit Texten von Klaus-Jürgen Sembach, Hanna Schygulla und Michel Piccoli. 192 Seiten, 9,95 Euro.