Update. Die ehemalige Stuttgarter Fraktionsvorsitzende Rose von Stein ist bei der FDP ausgetreten und den Freien Wähler beigetreten.
 

Stuttgart - Als die Ratsfraktion der Liberalen am Donnerstag um 14 Uhr zusammentrat, um sich, wie üblich, auf die Vollversammlung des Gemeinderates einzustimmen, die auf 16.30 Uhr angesetzt war, da betrat die Stadtträtin Rose von Stein den Raum und gab eine persönliche Erklärung ab: „Ich trete mit sofortiger Wirkung aus der FDP aus und wechsle mit meinem Mandat zu den Freien Wählern.“ Ihr Vertrauen in die Fraktion und in den Kreisverband der Liberalen, sei „nachhaltig zerstört – die Art und Weise, wie man mit mir umgegangen ist, kann ich nicht akzeptieren“. Wenig später bei der Ratssitzung saß Rose von Stein bereits in den Reihen der Freien Wähler. Die begrüßten ihr neues Mitglied unter dem spöttischen Motto „Sechs Richtige mit Zusatzzahl“.

 

Bernd Klingler, der FDP-Fraktionschef sagte am Montag: „Meine Kollegen und ich waren total überrascht – mit diesem Schritt hatte keiner von uns gerechnet.“ Gerade weil seine Fraktion Rose von Stein vor nicht allzu langer Zeit als Fraktionschefin abgewählt hatte, habe er sich „seither extrem um sie bemüht, um sie einzubinden und ihr gerecht zu werden“. Dass sie nun die Partei verlasse und ihr Mandat mit zu den Freien Wählern nehme, so Klingler, „stimmt mich nachdenklich: War ihre Bindung an unsere Partei nicht so stark, wie wir geglaubt hatten?“

Nur Michael Conz hielt noch zu von Stein

Rose von Stein, Jahrgang 1958, war 1999 in die FDP eingetreten und sitzt seit 2004 im Gemeinderat. „Ich war aus Überzeugung bei den Liberalen, eine andere Partei wäre für mich nicht infrage gekommen“, erklärte sie am Montag. Zur Kommunalwahl 2009 führte sie ihre Partei als Spitzenkandidatin, holte die meisten Stimmen für die FDP – die Fraktion wuchs von vier auf sieben Mandate. Folgerichtig wurde sie zur Fraktionschefin gewählt, zumal alle anderen sechs Mitglieder als Neulinge in den Gemeinderat einzogen. Doch am 30. März wurde Rose von Stein auf der Mitgliederversammlung der Stuttgarter FDP nicht mehr als stellvertretende Kreisvorsitzende bestätigt, ein Amt, das sie seit knapp zehn Jahren innehatte. Nur sechs Tage später – die Ratsfraktion war zur Klausur in Freudenstadt – wurde sie auch als Fraktionschefin abgewählt; lediglich ihr Fraktionskollege Michael Conz – in den eigenen Reihen ebenfalls nicht unumstritten – hielt noch zu Rose von Stein. Sie habe sich, so erklärte sie am Montag, „ausgegrenzt und hintergangen gefühlt“.

Auch Armin Serwani, der Kreisvorsitzende der Stuttgarter Liberalen, zeigte sich von den Ereignissen des vergangenen Donnerstags überrascht: „Ich bedaure die Entscheidung, die Rose von Stein getroffen hat. Niemand von uns hat geahnt, dass es zu diesem Schritt kommen wird.“ Dass sie jetzt ihr Mandat, das sie für die FDP gewonnen habe, zu den Freien Wählern mitnehme, halte er „nicht für richtig“. Rose von Stein konterte dies am Montag mit folgendem Hinweis: „Als der ehemalige CDU-Stadtrat Reinhold Uhl vor drei Jahren zur FDP-Fraktion gewechselt ist, hat das bei den Liberalen niemand kritisiert.“

Des einen Freud - des andern Leid

Jürgen Zeeb, der Fraktionschef der Freien Wähler, sieht den Wechsel „sehr positiv“. Rose von Stein, so erklärte er in seiner offiziellen Stellungnahme, „wird unsere soziale Kompetenz ergänzen und mit ihrer Erfahrung weitere Impulse in unsere Fraktionsarbeit einbringen. Wir freuen uns auf sie und aufeine gute Zusammenarbeit.“ Peter Aichinger, der Kreisvorsitzende der Freien Wähler, sagte: „Kommunalpolitik geht am besten ohne Parteibuch – nicht umsonst sind wir Freien Wähler in Land und Bund die stärkste kommunale Kraft.“ Rose von Stein sei „eine Bereicherung für unsere Ratsfraktion“.

Des einen Freud – des andern Leid. Durch den Übertritt der bisherigen FDP-Stadträtin zu den Freien Wählern ergeben sich für beide weit reichende Konsequenzen: Die Freien Wähler haben künftig sieben Sitze im Rat – die Liberalen nur noch sechs, ein Wechsel also auch in der Hierarchie der Ratsfraktionen. Überdies muss Oberbürgermeister Wolfgang Schuster jetzt eine neue Berechnung sämtlicher Gremien und Ausschüsse in Auftrag geben. Der FDP-Fraktionschef Bernd Klingler ahnt schon die Folgen: „Wahrscheinlich werden wir einen Sitz im Verwaltungsausschuss und einen Sitz im Technikausschuss an die Freien Wähler verlieren.“

Trotzdem mag Klingler nicht verzagen: „Rose von Steins Weggang tut uns weh, aber wir rücken jetzt noch näher zusammen.“ Ihm und seiner Fraktion gehe es um die Sache – ein schlechtes Gewissen habe er nicht. Die Liberalen, denen der politische Wind gegenwärtig von überall her scharf ins Gesicht wehe, wollen in den kommenden drei Jahren „gute Arbeit machen, damit wir bei der Kommunalwahl 2014 gut abschneiden“. Trotz der Ereignisse setze er „weiterhin auf gute Zusammenarbeit mit den Freien Wählern“, so Klingler.