Rosenmontagsumzug in Böblingen Narren lassen sich keine Angst einjagen
Bei herrlichem Frühlingswetter lockt der Böblinger Rosenmontagsumzug wieder tausende Fasnet-Fans an. Dabei steht anfangs alles auf der Kippe.
Bei herrlichem Frühlingswetter lockt der Böblinger Rosenmontagsumzug wieder tausende Fasnet-Fans an. Dabei steht anfangs alles auf der Kippe.
Petrus muss ein Herz für Böblinger Narren haben. Die Sonne lacht heute mit Hexen, Guggen und Tanzgardemädchen um die Wette. Kurz vor dem Start sieht es nach perfekten Bedingungen für den Rosenmontagsumzug aus. Es ist kurz nach 13 Uhr, gleich kann es losgehen. Dann bekommt der Organisator und Grün-Weiss-Vorsitzende Bela Stahl einen Anruf. „In Mannheim gab es einen Anschlag“, sagt er mit ernster Miene.
Auf der Kippe Fasnetsvereinschef Bela Stahl steht mit Böblingens Oberbürgermeister Stefan Belz auf der Ladefläche des ersten Umzugswagens. Beide waren eben noch dabei, vom Elbenplatz loszufahren und den Tross anzuführen. Jetzt droht dem Umzug das Aus, bevor er überhaupt angefangen hat. Stahl drückt sein Headset ans Ohr, wartet auf weitere Informationen. Oberbürgermeister Belz spricht von ohnehin bereits weit hochgefahrenen Sicherheitsvorkehrungen. Tatsächlich sieht man zahlreiche Securitymitarbeiter und Polizisten, außerdem sind sämtliche Straßen entweder mit schweren Fahrzeugen oder wuchtigen Betonpollern blockiert. Nach wenigen Minuten gibt die Polizei grünes Licht. Der 36. Böblinger Rosenmontagsumzug kann starten.
Hochstapler Die Stimmung entlang der Umzugsstrecke ist bestens. Vom Kleinkind bis zum Opa winken alle den Narren zu, rufen „Narri-Narro“, lassen sich Konfetti aufs Haar streuen und haben eine gute Zeit. Mannheim ist eindreiviertel Autostunden entfernt von hier. Davon, dass dort jemand mit einem Auto in eine Menschenmenge gerast ist, hat hier offenbar kaum jemand etwas mitbekommen – wenn doch, scheint es niemand vom Feiern abzuhalten. Auf der Dachterrasse seiner Freddchen-Kneipe moderiert Freddy Nestele das Umzugsgeschehen, bejubelt die teils halsbrecherischen Hochstapeleien bei den Hexenpyramiden und begrüßt jede Gruppe mit ihrem jeweiligen Schlachtruf.
Ausweiskontrolle Mit der Fasnetgaudi untrennbar verknüpft: der Alkoholkonsum. Schon vor Beginn des Umzugs stehen kostümierte Jugendliche mit alkoholischen Getränken an den Kassen des Edekas in den Mercaden Schlange. Während es dort die Alterskontrolle gibt, ist es im bunten Narrentreiben oft schwierig, Minderjährige vom Alkohol fernzuhalten. Vorbildlich macht das eine Angestellte des Böblinger O’Donovan’s Irish Pub, das hier mit einem eigenen Wagen dabei ist. Bevor sie einen ihrer grünen Wackelpudding-Wodkas an die jungen Zuschauer herausgibt, heißt es: Ausweiskontrolle. Das hat das eine oder andere Murren zur Folge. Ein junger Mann wedelt mit seinem Führerschein: „Geht der auch?“
Süßes und Lautes Die Zuschauer müssen sich so manches närrische Spiel gefallen lassen. Es werden Gesichter bemalt und ab und zu kommen auch ein Paar Schuhe abhanden. So geschieht es auch einem kleinen Mädchen, das daraufhin in der Klaffensteinstraße strümpfig von einem Fuß auf den anderen hüpft. Aber für die Streiche gibt es direkt reichlich Entschädigung. Ganze Hände voll mit Bonbons, Gummibärchen und anderem Süßkram verteilen die Hexen, Teufel, Bären und Höllenotter ans närrische Volk. Ein in diesem Jahr neu hinzugekommener Wagen beschallt das Publikum mit Partymusik. Mit an Bord: Pille-Wirt Walter Schmidt, Bootshaus- und Platzhirschwirt Tobias Faude und Gewerbeforums-Chef Chris Rohr, die gemeinsam die Böblinger Polarnacht am 29. März bewerben.
Gegenrichtung In diesem Jahr verläuft die Strecke erstmals in umgekehrter Richtung, also von der Poststraße über die Klaffensteinstraße vorbei an den Seen und zurück zum Elbenplatz. Der Grund: In der Vergangenheit war es auf Höhe der Albabrücke, wo Seegärtle-Wirt Uwe Hutfilz immer den Moderator gibt, gerne mal zum Stau gekommen. Dadurch wurden die Abstände zwischen den einzelnen Gruppen zu groß. Bei Narren und Publikum kommt diese Änderung gut an.
Jedem zur Freud, niemand zum Leid So lautet das Motto der Schwäbisch-alemannischen Fasnet. „Et hätt noch emmer joot jejange“, sagen die Jecken in Köln – und nach dem Umzug können das auch Oberbürgermeister Stefan Belz und Bela Stahl sagen. „Bisher keine besonderen Vorkommnisse“, vermeldet die Polizei um 15 Uhr. Von dem Vorfall in Mannheim erfahren viele erst jetzt. „Wenn wir es gewusst hätten, wären wir trotzdem mitgelaufen“, sagt eine Giftgrüne Schlossberghexe aus Böblingen. Grün-Weiss-Chef Bela Stahl sieht es ähnlich. Er freut sich über die (seiner Schätzung nach) rund 20 000 Besucher und den reibungslosen Verlauf. „Ich mache das, damit die Menschen eine Freude haben. Was in der Welt alles passiert, ist doch traurig genug“, begründet er fast trotzig seine Entscheidung, den Umzug nicht abzusagen. Narren lassen sich eben keine Angst einjagen.
Hexen, Guggen, Garde
Im Oktober 1982 wird in Böblingen der „Fanfarenzug Grün-Weiss Böblingen“ von zehn Musikfreunden gegründet. 1987 organisiert der Verein erstmals den Rosenmontagsumzug. Heute zählt Grün-Weiss rund 120 Mitglieder. Zum Verein gehören die GW-Guggen, See-Häxa sowie die Tanzgruppen City Dancer und Minigarde.
Nerven aus Stahl
Der Rosenmontagsumzug und der Kinderfasching in der Kongresshalle am Tag darauf sind ein stets enormer Kraftakt. Ein Großteil der Organisation lastet auf den Schultern von Bela Stahl. Der Ehninger Abbruchunternehmer (Jahrgang 1974) übernimmt im Jahr 2007 den Vorsitz. Auch seine Frau Annabella und seine Töchter Chiara und Melina sind bei Grün-Weiss aktiv.