Mit der Agenda Rosenstein wollen die Initiative Stadtisten sowie Künstler und Kreative beim Gestalten des Rosensteinquartiers mitwirken. Der Entwurf für das neue Quartier sieht nun immerhin eine Fläche von etwa fünf Hektar für Subkultur vor.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - Kneipen, kleine Galerien, inhabergeführte Lädchen und bezahlbarer Wohnraum – das haben sich Martin Zentner und Thorsten Puttenat von der Wählervereinigung Stadtisten unter ihrer Agenda Rosenstein vorgestellt. „Stuttgart, dein Künstlerviertel“ haben sie ihre Idee liebevoll genannt. Einen Ort haben sie dafür auch gefunden: Im Rosensteinquartier – nach der Tieferlegung des Hauptbahnhofs und dem Freiwerden der Gleisflächen. „Uns schwebt kein Künstlerghetto vor, also kein ein autonomes Viertel für Hippies, Freaks und Spinner, sondern ein offener Stadtteil für alle“, sagt Puttenat. Quasi eine Art „Fluxus in groß“, ergänzt er.

 

Ein Künstlerviertel für Stuttgart?

Ein Künstlerviertel in Stuttgart? In einer Stadt, in der jeder Quadratmeter in der City viel Geld wert ist? „Das ist schon super-idealistisch“, hatte Puttenat schon vor gut einem Jahr gesagt. Trotzdem machten Zentner und er sich die Mühe, bei allen anderen Fraktionen im Gemeinderat, bei Baubürgermeister Peter Pätzold (Grüne) und beim Amt für Stadtplanung für ihre Idee zu werben. Mit erstem Erfolg.

In dem rund 70 Seiten umfassenden Entwurf für den städtebaulichen Wettbewerb für die durch Stuttgart 21 frei werdenden Flächen im Rosensteinviertel ist die Idee eingeflossen. Dort heißt es, dass „neben den Neubauprojekten . . . ein großer Bedarf an Flächen für informelle Subkultur“ besteht. Und weiter: „Um kreatives Potenzial in der Stadt zu halten, müssen Flächen und Räume für Subkultur geschützt und geschaffen werden.“ Das hat den beiden Hoffnung gegeben, dass aus ihrer Idee etwas werden könnte.

Vor zwei Jahren haben Puttenat und Zentner ihre Agenda entwickelt. Aber schon seit etwa vier Jahren schwebt Puttenat so ein Ort im Kopf herum. „Wir haben lange gebibbert, ob das überhaupt was werden könnte“, sagt Puttenat. „Klar war auch“, ergänzt Zentner, „die Idee muss in der Auslobung stehen.“ Sonst würde sie vermutlich nicht zum Zug kommen. Bereits im Jahr 2016 haben sie ihre Idee in das offene Verfahren zur Bürgerbeteiligung eingebracht. Vorstellen können sie sich eine Art Viertel rund um die bestehenden Wagenhallen, wo es auch inhaltlich passen würde. Ob das am Ende dann tatsächlich so kommt, ob es überhaupt ein zusammenhängendes Quartier wird, wird der städtebauliche Wettbewerb zeigen.

Rund 40 Initiativen und kulturelle Institutionen unterstützen die Idee

Längst setzen sich die beiden nicht alleine dafür ein. Rund 40 Unterstützer aus der Stadt haben sie in den vergangenen Jahren um sich gesammelt. Lokale Initiativen und Institutionen wie der Württembergische Kunsterverein, die Kulturinsel, das Theater Rampe, die Stadtlücken und die Wagenhallen haben sich ihnen angeschlossen, aber auch kleine Einzelhändler.

Silke Hampel, Designerin und Gründerin des fairen Modelabels Rote Zora, findet es wichtig, dass es Orte gibt in der Stadt, die ein Gegenentwurf zu den großen Ketten darstellen; deshalb unterstütze sie die Agenda Rosenstein. Es brauche Orte, die den kleinen Einzelhändlern und Gastronomen eine Chance bieten. So wie das Fluxus zum Beispiel. „Es war schon schön, dass sich dort so viele ausprobieren konnten“, sagt Hampel.

Jetzt brauche es Ideen für Alternativen in der Stadt. „Kleine Läden findet jeder gut, aber es dauert, bis man sich wirklich eine Stammkundschaft aufgebaut hat“, sagt Silke Hampel. Die kommt aber eben nicht immer, wenn der Laden sich quasi versteckt in einer ungünstigen Lage befindet. „Es braucht andere, damit man sich gegenseitig belebt und befruchtet.“

Auch auf politischer Ebene hat die Idee für eine Art Künstlerquartier Sympathisanten. „Man muss aber klären, wo man das macht“, sagt Martin Körner, SPD-Fraktionschef im Gemeinderat. In der SPD halte man eine Anbindung an die Wagenhallen durchaus auch für sinnvoll. „Aber ob das dann am Ende fünf Hektar sind und alles an einem Ort ist, da mache ich noch ein Fragezeichen dran.“ Die Frage sei ja auch, was man mit den Bestandsbauten dort mache. „Aber den Grundgedanken, in diesem Quartier einen Raum für Subkultur, kleine Galerien und Kreative zu haben, finden wir absolut positiv“, so Körner.

Der Grünen-Fraktionssprecher Andreas Winter erwartet von dem Wettbewerb kein fertiges Kulturkonzept. Er findet es aber wichtig, solch ein Quartier bei der Planung gleich mitzudenken. Um die Wagenhallen herum, das klingt für ihn auch gut, vielleicht ein „Kulturboulevard“ mit Wohnbebauung. „Ich bin auf jeden Fall zuversichtlich, dass wir für die Subkultur dort was Schönes hinkriegen“, so sein Fazit. Mit der Kulturinsel sei das ja schließlich am Ende auch gelungen.

Ihre Arbeit ist noch nicht zu Ende – die Stadtisten wollen den Prozess „kritisch begleiten“

Orte für Subkultur entwickeln sich ja meistens von selber, weil irgendwo in der Stadt ein Fleckchen frei ist, das Künstler aus der freien Szene dann bespielen und beleben. Genau das macht oft den Charme solcher Viertel aus. Spontanes und Improvisiertes in alten Lagerhallen passt eher zu so einem Stadtviertel als schicke Neubauten. Doch wie so etwas entwickeln? Das wird die Herausforderung des Wettbewerbs sein.

„Ich bin gespannt, was die Architekten entwickeln werden“, sagt CDU-Fraktionssprecher Alexander Kotz. Vermutlich sei es schwierig, einfach eine Fläche zu reservieren. Trotzdem sei man nicht vehement dagegen. Aber es müsse eben ein gutes Konzept sein, sagt Kotz.

Zentner und Puttenat wollen den Prozess nun „kritisch begleiten“. Die Arbeit sei für sie nicht vorbei. „Auch wenn wir alte Säcke sind, wenn das vielleicht irgendwann 2030 fertig ist“, ergänzt Zentner und lacht.