Beim Verkehrsprojekt Rosenteintunnel wir hinter den Kulissen um viel Geld gestritten. Der Stuttgarter Baukonzern Wolff und Müller begründet seine Forderung mit einem „erheblichen Mehraufwand“. Die Stadt will alles genau prüfen.

Stuttgart - Die stählernen Zähne der Schaufel stecken in der Erde. Doch sie beißen nicht. Hinter dem oberhalb des Mineralbads Leuze abgestellten Bagger wachsen Disteln und andere Wildpflanzen auf einigen Erdhügeln. Ein rostiger Container und alte Plastikplanen komplettieren die triste Szenerie. Der Bauzaun um die 100 Meter lange und 20 Meter breite Brache hat stellenweise Schieflage.

 

Dahinter hat sich seit Monaten nichts bewegt. Kein Baulärm, nur das Rauschen des Verkehrs auf der nahe gelegenen B 14 ist zu hören. Dabei ist das Niemandsland das Herzstück des bis jetzt 275 Millionen Euro teuren Großprojekts Rosensteintunnel, zu dem auch der Umbau des Leuze-Knotens gehört. Unter den Disteln sollte eigentlich bis zum Frühjahr 2017 eine dritte Tunnelröhre entstehen. Diese sollte dann den auf der B 14 stadtauswärts fließenden Verkehr aufnehmen. Doch wegen „Behinderungen im Bauablauf“ wird die neue Leuzeröhre erst viel später fertig. Auch die bereits für Ende 2015 geplante Öffnung des Kurztunnels in Richtung City sei erst 2017 möglich, heißt es in der kostenträchtigen Vorlage, die der Gemeinderat Ende Juli verabschiedet hat. Die genehmigten 2,5 Millionen Euro werden benötigt, um „unberechtigte Nachforderungen von Baufirmen“ abwehren zu können. Die Verzögerungen wirkten sich zudem erheblich auf den gesamten Bauablauf aus.

Gesamtkosten sollen unverändert bleiben

Im Mai 2015 war bekannt geworden, dass sich das umstrittene Verkehrsprojekt um gut 40 Millionen auf 275 Millionen Euro verteuert. „Diese Prognose für die Gesamtbaukosten bleibt unverändert“, verkündet der im Urlaub weilende Technik-Bürgermeister Dirk Thürnau auf der Internetseite des Projekts Rosensteintunnel unter „Aktuelles“. Während der Termin für den Durchstich der beiden Röhren unter dem Rosensteinpark bereits auf den 16. September terminiert ist, häufen sich am Leuze-Knoten die Probleme. „Die bauvertragliche Abwicklung im Baubereich B 10 / 14-Verbindung am Leuze gestaltet sich seit Baubeginn äußerst schwierig“, heißt es in der Gemeinderatsvorlage. „Allein der firmenseitige Schriftverkehr zählt mittlerweile mehrere Tausend Dokumente.“

Darin geht um sehr viel Geld. Nach Informationen dieser Zeitung summieren sich die Nachforderungen des Stuttgarter Baukonzerns Wolff und Müller, der für ein Gebot von rund 41 Millionen Euro den Zuschlag für die Rohbauarbeiten im Bereich Leuze erhalten hat, auf 18 Millionen Euro. Die Firma betreibe ein sehr aktives Nachtrags-Management, das weit über dem branchenüblichen Maß liege, heißt es bei der Stadt. Der Bau der dritten Röhre im Leuze-Tunnel werde von dem Unternehmen als so nicht machbar bezeichnet.

Sieben Monate Bauzeit für zehn Quadratmeter Asphalt

Als Beleg für die gestörte Partnerschaft kursiert in der Verwaltung die Geschichte über einen Asphaltzwickel beim Leuze, der Rollstuhlfahrern die Zufahrt auf einen Gehweg erleichtern soll. Üblich sei es, so eine Minibaustelle mit Farbspray zu kennzeichnen. Wolff und Müller habe hingegen einen Plan verlangt. Als es diesen gab, sei die Stadt gebeten worden, die Stelle mit Farbe zu markieren. „Angeblich konnten die den Plan nicht finden“, sagt ein Kenner des Vorgangs. „Das Hin und Her um zehn Quadratmeter Bitumen hat sieben Monate gedauert und 30 Schriftsätze erfordert.“ „Wir überprüfen alle Nachforderungen sorgfältig, um sicherzustellen, dass wir keine überhöhten Rechnungen bezahlen“, betont Tiefbauamts-Chef Wolfgang Schanz. Nachforderungen in zweistelliger Millionenhöhe kann er „in keiner Weise nachvollziehen“. Schanz hält – vorbehaltlich der Prüfung durch Ingenieure und Juristen – weitaus niedrigere Zahlen für denkbar, weil es Probleme gegeben habe. So habe etwa die Suche nach Blindgängern zu Beeinträchtigungen geführt. „Wir führen mit Wolff und Müller konstruktive Gespräche.“

Höhere Kosten durch hohen Mehraufwand

Auch der Baukonzern betont seine Gesprächsbereitschaft, um „Lösungen für die nächsten Teilschritte“ zu erarbeiten. Man bestehe aber auf Nachschlägen. Der Knotenpunkt werde täglich von 200 000 Fahrzeugen passiert. Diese Faktoren sowie „eine Reihe nicht vorhersehbarer Herausforderungen“ hätten „zu einem deutlichen Mehraufwand und damit verbundenen Vergütungsansprüchen geführt“. Wann die dritte Röhre des Leuzetunnels fertig sei, könne man nicht sagen. „Für die Gesamtkoordination ist die Stadt verantwortlich.“