Weniger Brücken, mehr Kurven und einige gesperrte Wege: rund um die Baustelle Rosensteintunnel müssen Fahrradfahrer und Fußgänger gravierende Verschlechterungen hinnehmen, kritisieren Fahrradfahrer und der ADFC.

Bad Cannstatt - Mit seinem blau-weißen Trikot und der schwarzen Radlerhose sieht Giuseppe Fazio nicht nur aus wie ein Fahrrad-Experte. Er ist es auch, zumindest, was den Weg zwischen dem Stuttgarter Osten und Bad Cannstatt anbelangt: „Ich fahre jeden Tag mit dem Fahrrad vom Ostendplatz in meinen Garten im Sommerrain“, sagt der gebürtige Italiener. Das Stück zwischen der Stadtbahn-Haltestelle Mineralbäder und dem Leuze ist noch nie seine Lieblingspassage auf der Strecke gewesen, doch seit die Bauarbeiten für den Rosensteintunnel begonnen haben, sei es richtig schwierig geworden für Fahrradfahrer: „Der Weg ist viel zu eng für die vielen Leute“, findet Giuseppe Fazio.

 

Eine Esslingerin, die am Brunnen vor dem Leuze ihre Trinkflasche auffüllt, pflichtet ihm bei: „Die vielen Kurven machen den Weg unübersichtlich.“ Vor allem wenn Radfahrer zu schnell unterwegs seien, könne es gefährlich werden. Sie habe schon mehrere Beinahe-Kollisionen auf dem verschwenkten Radweg erlebt. „Früher war die Wegführung geradliniger“, findet die passionierte Radlerin, die den Leuzeknoten regelmäßig passiert.

Bis zu 5500 Fahrradfahrer am Tag

In der Tat handelt es sich um eine der wichtigsten Verbindungen für Fahrradfahrer in der Landeshauptstadt: „Die vollautomatische Zählstelle beim Mineralbad Leuze erfasst täglich rund 4000 Fahrradfahrer, an Spitzentagen werden sogar bis zu 5500 gezählt“, sagt Claus Köhnlein, der Fahrradbeauftragte der Stadt.

Ein Grund mehr für den Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC), die Situation kritisch unter die Lupe zu nehmen. „Leider behindern die Baumaßnahmen für den Rosensteintunnel und die neue Eisenbahnbrücke für Stuttgart 21 den Radverkehr und führen zu einer gravierenden Verschlechterung für Radfahrer“, sagt Kathrin Werner, Vorstandsmitglied des ADFC Stuttgart. Vor dem Hintergrund, dass langfristig die Zahl der Fahrradfahrer auf 20 Prozent des Verkehrsaufkommens und damit um ein Vierfaches erhöht werden solle, müsse die Situation auf der König-Karl-Brücke optimiert werden, da der derzeitige Zweirichtungsradweg nicht die erforderliche Breite von 2,60 Meter habe. Denkbar wäre für den ADFC eine Führung auf beiden Seiten der Brücke.

Kritik am Abriss zweier Brücken

Besonders kritisch beurteilt der ADFC die Lage rund um die Wilhelma: „Mit dem Elefantensteg und der Holzbrücke entfällt eine wichtige Verbindung zwischen Bad Cannstatt und der Wilhelma sowie dem Rosensteinpark für Radfahrer und Fußgänger, ohne dass in absehbarer Zeit Ersatz geschaffen würde“, sagt Werner. Die Rosensteinbrücke am Wilhelmatheater und die König-Karl-Brücke seien mit Umwegen verbunden und so unattraktiv.

Allerdings: Auf den Stegen war das Radfahren gar nie erlaubt, sagt Claus Köhnlein: „Leuze-, Elefanten- und Holzsteg sowie die Verbindung vom Schloß Rosenstein zur Wilhelma waren schon immer Fußwege.“ Der offiziell ausgeschilderte Weg führe Fahrradfahrer deshalb über den Seilerwasen und die König-Karl-Brücke von Bad Cannstatt in die Innenstadt. Dort sei durch die Baustelle die Radführung zurzeit vielleicht nicht optimal, aber für eine Baustelle durchaus gut gelöst.

Keine negativen Rückmeldungen von Touristen

Das sehen Andrea Moser und Mathias Eberhard ähnlich. Die beiden sind am Wochenende nach langer Zeit einmal wieder mit dem Fahrrad nach Esslingen gefahren und haben sich rund um die Baustelle gut zurecht gefunden: „Die Ausschilderung ist in Ordnung“, finden die beiden. Ähnlich äußern sich auch Reiseveranstalter, die den Neckartalradweg im Programm haben: „Eine größere Baustelle kann natürlich schon zu Problemen führen“, sagt Sarah Kaltenbrunner vom Konstanzer Unternehmen Velotours. Aus Stuttgart lägen ihr aber keine negativen Rückmeldungen vor. „Wichtig ist, dass die Umleitungen gut ausgeschildert sind“, sagt Annika Wünsch von der ebenfalls in Konstanz ansässigen Radweg-Reisen GmbH.

Köhnlein plädiert unterdessen für Geduld. Wenn der Rosensteintunnel 2020 fertig sei, werde die Situation für Fahrradfahrer deutlich besser, so der Fahrradbeauftragte: „Der Radweg am Leuze wird in den ursprünglichen Zustand zurückversetzt und das Geländer des neuen Leuzestegs wird so hoch sein, dass dieser für Fahrradfahrer frei gegeben werden kann.“ Außerdem werde mit einem Ersatzsteg unterhalb der neuen Eisenbahnbrücke eine Verbindung von der Anlegestelle des Neckarkäptn in den Rosensteinpark geschaffen.