Ross Macdonalds Romane um Detektiv Lew Archer sind Krimigold. Archer ist Schnüffler, Therapeut und Beichtvater. Nun soll er endlich ins Kino und ins Fernsehen kommen.

Stuttgart - Dass Hollywood sich endlich mal wieder an einen großen Krimiklassiker wagt, wurde schon im Oktober des vergangenen Jahres publik. Das Studio Warner Bros. will „The Galton Case“ von Ross Macdonald auf die Leinwand bringen, einen 1959 erschienenen Roman aus der Serie um den Privatdetektiv Lew Archer. Bald folgten Gerüchte, die sich nun als richtig erweisen, es sei auch eine Fernsehserie im Gespräch. Der Kabelsender TNT hat in einer Projektvorschau für Werbeagenturen eine Serie mit dem Arbeitstitel „Lew Archer“ gelistet. Der Umgang mit Macdonalds Krimis könnte also bald Material für die Debatte liefern, ob Hollywood dem Fernsehen noch das Wasser reichen kann.

 

Beichtvater und Schnüffler

Ross Macdonald (1915-1983), mit bürgerlichem Namen Kenneth Millar, ist neben Dashiell Hammett und Raymond Chandler der wichtigste Autor der angelsächsischen Privatdetektiv-Tradition. Die Lew-Archer-Reihe stand zunächst in der Tradition Chandlers. Allmählich aber wurde Archer zu einer Mischung aus Psychoanalytiker, Beichtvater und Befindlichkeitshistoriker der Westküstengesellschaft. Macdonald verknüpfte die Privatschnüfflertradition mit dem griechischen Drama und zerstreute nebenbei die Illusion, Kalifornien lebe den amerikanischen Traum in seiner attraktivsten Form.

Diese Qualitäten der Lew-Archer-Serie sind von bisherigen Verfilmungen, unter anderem von zwei Filmen mit Paul Newman, kaum erfasst worden. Für die Stoffentwickler von Film und TV-Serie ist also ausreichend Material vorhanden. Die schlechte Nachricht dabei: der Kabelsender TNT, Turner Network Television, stand bislang nicht an vorderster Front im Kampf um neue Formen und Inhalte. Er bestreitet sein Programm mit modernem Krimi-Mainstream wie „The Closer“, „CSI: NY“ oder „Law and Order“. Allerdings hat TNT angekündigt, seine meist von Megasendern wie CBS übernommenen und mehrheitlich auch auserzählten Erfolge verstärkt durch Eigenproduktionen ersetzen zu wollen.

Die Chance auf eine clevere Serie

Dass man dabei nicht nur auf Biederware setzen wird, ist naheliegend. TNT hat in den letzten Jahren miterleben müssen, wie selbst der vormals unbedeutende Wiederholungssender AMC zum ernstzunehmenden Konkurrenten am Werbemarkt aufstieg, dank cleverer Qualitätsserien wie „Mad Men“, „Breaking Bad“ und „The Walking Dead“. Dass aber ausgerechnet „Lew Archer“ als Avantgarde des künftigen Serienportfolios bilden darf, kann man vorerst nur hoffen. TNT hat den Werbeagenturen - neben etlichen bereits in voller Produktion befindlichen Serien - immerhin sieben Projekte vorgestellt, für die wie für „Lew Archer“ erst Konzepte entwickelt werden.

Hoffnungsvoll stimmt, dass bei der Kino- wie der TV-Adaption von Macdonalds Werk eine neue Machtverteilung erprobt wird. Bislang ist es üblich, dass Produzenten Buchrechte erwerben und danach frei von den Interessen der Autoren und Verlage agieren. Momentan aber versuchen sowohl der Verlag Macmillan wie auch Random House, wo Macdonalds Bücher erscheinen, ihr Glück als Filmproduzenten. Vorbild dabei ist der Comicverlag Marvel, der nach anfänglichem Lizenzverkauf mittlerweile eine eigene Filmproduktion betreibt. Marvel verdient so an Blockbustern wie „The Avengers“ mehr als früher und kann die Filme enger mit Print-Strategien verzahnen.

Wiederentdeckung dringend nötig

Bei den beiden Macdonald-Projekten tritt Random House zwar nur als Koproduzent auf, dürfte sich aber Mitspracherechte gesichert haben. Ein Verlag hat ein Interesse daran, dass eine Verfilmung sich nicht allzu weit vom Geist der Bücher entfernt, um die möglichst enttäuschungsfrei an eine neue Generation Kinogänger verkaufen zu können.

Scheinwerferlicht, Entstaubung und Senkung der Schwellenangst könnte die dringend wieder zu entdeckende Lew-Archer-Serie jedenfalls gut vertragen. Von den deutschen Übersetzungen bei Diogenes sind etliche Bände nur noch antiquarisch erhältlich. Die noch bestellbaren Titel sind Restbestände aus der Lagerecke. Auf dem aktuellen deutschen Krimimarkt spielt Ross Macdonalds zu den Großleistungen der Kriminalliteratur zählendes Werk nicht einmal mehr eine Nebenrolle. Das kann wohl nur noch Hollywood ändern.