Der Schwarzwaldvorberg Roßkopf ist zwar Mountainbiker-Terrain, doch der Aufstieg auf den 125 Jahre alten Turm hoch über Freiburg lohnt sich auch für Fußgänger.

Freiburg - Der Weg ist das Ziel? Natürlich nicht. Der Aussichtsturm ist das Ziel, aber die Wege dorthin sind verschieden. Nehmen wir die lange Strecke, direkt von der Freiburger Altstadt hinauf auf den Schlossberg, über die Reste der einst mächtigen Festungsanlage des französischen Militärarchitekten Prèstre de Vauban hinweg? Das sind stramme zehn Kilometer bergauf, ein Höhenunterschied von mehr als 400 Metern. Oder besser die Nordroute vom Föhrental, einem Seitental des bekannten Glottertals? Das sind nur sechs Kilometer. Beide Routen haben ein schweres Manko: Keine Einkehrmöglichkeit bei Hunger und Durst.

 

Das Vergnügen einer Einkehr sollte man sich nicht entgehen lassen

Die bequemste Strecke ist mit einem kleinen Schadstoffausstoß aber dem Vergnügen einer Einkehr nach der Wanderung verbunden. Das macht die Anfahrt mit dem Auto auf den Parkplatz des Waldgaststätte Sankt Ottilien im Freiburger Osten unumgänglich. Dann ist man schon auf 480 Meter über dem Meer und muss bis zur Turmspitze nur noch zweieinhalb Kilometer und 257 Höhenmeter schaffen. Selbst für die kurze Strecke kann man aber ohne weiteres auf eineinhalb Stunden kommen, wenn man unterwegs in die St. Wendelin-Kapelle schaut, am Wegrand die reifen Brombeeren pflückt oder ein paar Pilze begutachtet oder einsammelt. In jedem Fall Obacht: Der Schwarzwaldvorberg Roßkopf ist Mountainbiker-Terrain.

Seitdem es einen sogenannten Singletrail gibt, sowieso. Das ist ein ausnahmsweise exklusiv für die Kampfradler reservierter schmaler steiler Pfad, der einige Male zu überqueren ist. Den fahren aber nur die harten Kerle und Mädels ab, die gemäßigten Biker tummeln sich eher auf den Wanderwegen – manche in der irrigen Annahme, sie hätten Vorfahrt und Wanderer müssten eben wie ein Springbock zur Seite hechten. Als im Juni dieses Jahres die Freiburger Umweltbürgermeisterin Gerda Stuchlik (Grüne) auf dem Fuchsköpfleweg vor dem Roßkopfturm eine kleine Rede zum 125. Geburtstag hielt, trieb ein eiliger Biker die verdutzte Festgesellschaft mit dem Schlachtruf: „Stupido, einfach mal aus dem Weg gehen“ auseinander. „Wir müssen dafür werben, Rücksicht aufeinander zu nehmen“, hatte Gerda Stuchlik vor der versammelten Gesellschaft kurz zuvor erklärt.

Ursprünglich hieß das Stahlbauwerk Friedrichsturm

An diesem Tag ist keine offizielle Delegation unterwegs. Es ist ein ruhiger Werktag und die Radler sitzen brav im Büro. Die letzten Meter vor dem Roßkopfsattel offenbaren, dass der alte Turm mittlerweile unter neuen Bauwerken verschwindet. Über den Bäumen dreht sich ein riesiges Windrad, nur undeutlich schimmert ein Eisengestänge durch das Gehölz. Erst im letzten Moment öffnet sich die Lichtung, auf dem kleinen Platz ragt – scheinbar schief – ein stählerner Turm empor, der am 1. Juli 1889 eingeweiht wurde. Ursprünglich hieß er „Friedrichsturm“, benannt nach dem badischen Großherzog Friedrich I. und erbaut aus Spenden, die der Schwarzwaldverein gesammelt hatte. Warum der eiserne Turm – gebaut von der Freiburger Eisengießerei Philipp Anton Fauler – so weit weg von der Stadt entfernt, aufgestellt worden ist, ist nicht bekannt. Die Gründer des Schwarzwaldvereins waren vor allem Gastwirte, sie hätten wenigstens ein Ausflugslokal anbauen können.

137 Stufen aus groben Holzbohlen führt 34 Meter nach oben und der Rundumblick entschädigt auch die aus weiter Ferne angewanderten Gipfelstürmer. Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll. Am besten im Nordosten, wo man hinguckt, wenn man sich aus dem letzten Absatz nach oben windet. Dahin, wo sich die vier Windräder zum Greifen nah drehen. Oder stehen, wenn kein Wind bläst. Vier Anlagen des Typs Enercon E-66/70 mit je 1,8 Megawatt Leistung, Rotorendurchmessern von 70 Metern und 133 Meter hoch, wurden 2003 auf dem Roßkopf installiert. Drei auf Freiburger, eins auf Gundelfinger Gemarkung. Es gab Merkwürdigkeiten, als sich die Rotoren zu drehen begannen. Plötzlich lagen tote Fledermäuse auf dem Roßkopf. Anderswo getötet und dort abgelegt, behauptet der Betreiber. Aufgeklärt wurde die Angelegenheit nie, sie taugt nicht einmal mehr für Fastnachtswitze.

Blick über Schwarzwaldgipfel und die Rheinebene

Hinter den Rotoren grüßt der Kandel, mit einer Drehung nach rechts, also nach Osten und Süden, kommen die anderen Schwarzwaldberge ins Blickfeld: Der Feldberg, der Schauinsland, der Belchen und der Blauen. Bei Fön sieht man die Alpen, wer sich auskennt, kann die Gipfel unterscheiden. In der Ebene liegt das Rebland von Staufen südwärts bis Müllheim, Richtung Lörrach und Basel. Das Markgräflerland. Westlich davon der Rhein mit dem hell leuchtenden Atomkraftwerk Fessenheim auf französischer Seite, das seine radioaktive Fahne im schlimmsten Fall mit dem üblichen Westwind ausschließlich auf die deutsche Seite blasen würde. Dahinter die elsässische Rheinebene und die Vogesenberge.

Auf dem Roßkopf muss man René Schickele zitieren: „Das Land der Vogesen und das Land des Schwarzwaldes sind wie zwei Seiten eines aufgeschlagenen Buches – ich sehe deutlich vor mir, wie der Rhein sie nicht trennt, sondern vereint, indem er sie mit seinem festen Falz zusammenhält“. So ist es und man sieht von oben, wie nahe alles beieinander liegt. Hier oben die Stromerzeugung mit der Kraft der Natur, dort unten jene mit dem Risiko einer Katastrophe. Oben der Wald und die kreisenden Bussarde, von unten brummt der Geräuschteppich der Stadt Freiburg und des Straßen- und Bahnverkehrs. In der Luft ziehen Flugzeuge ihre Kondensstreifen.

Lange und genüsslich kann man sich immer wieder einen anderen Ausschnitt des 360-Grad-Panoramas vornehmen: Wo ist der Münsterturm? Wo ist die Autobahn und wo wäre ein neues Fußballstadion am besten aufgehoben? Irgendwann reicht es, Höhenluft macht hungrig und durstig und der Weg bergab ist schnell geschafft. In der Waldgaststätte St. Ottilien gibt es Vesper – und die windgeröteten Augen können in der Gruft der Wallfahrtskapelle nebenan ausgewaschen werden. Das Quellwasser soll heilende Wirkung haben.

Der Turm war ein Geburtstagsgeschenk

Der 34 Meter hohe Stahlturm auf dem 737 Meter über dem Meer liegenden Roßkopf hoch über Freiburg wurde am 1. Juli 1889 eröffnet, er ist einer der ältesten seiner Art in ganz Deutschland. Gebaut wurde er anlässlich des 25. Geburtstags des Schwarzwaldvereins, dieser schenkte ihn später der Stadt Freiburg. Der Roßkopfturm ist ganzjährig geöffnet. Die Stahlkonstruktion wurde von der Eisengießerei Philipp Anton Fauler errichtet, die zu dieser Zeit von Eduard Pfeilsticker geleitet wurde, dem Schwiegersohn von Gründersohn Eduard Fauler, der 1882 gestorben war. Eduard Fauler war von 1859 bis 1871 Bürgermeister von Freiburg. Am Ende seiner Amtszeit hatte Freiburg 24 600 Einwohner, etwas mehr als ein Zehntel der heutigen Zahl.