Stimmen die SPD-Mitglieder in Thüringen einer rot-rot-grünen Koalition zu und ebnen damit einem linken Ministerpräsidenten Ramelow den Weg? Indes sorgen die Äußerungen von Joachim Gauck weiter für Zündstoff.

Berlin - In Thüringen entscheidet sich am Dienstag, ob Linke, SPD und Grüne Koalitionsverhandlungen zur Bildung der ersten rot-rot-grünen Landesregierung in Deutschland aufnehmen. Ausgezählt wird in Erfurt das Ergebnis eines SPD-Mitgliedervotums. Die 4300 thüringischen Genossen waren aufgerufen, über die Aufnahme von Koalitionsgesprächen mit Linken und Grünen abzustimmen.

 

Nach der Auszählung dürfte klar sein, ob die Sozialdemokraten bereit sind, als Juniorpartner den Weg für den ersten Ministerpräsidenten der Linken freizumachen. 25 Jahre nach dem Fall der Mauer will Linke-Fraktionschef Bodo Ramelow in die Staatskanzlei einziehen. Seit der Wiedervereinigung hat die CDU in Thüringen den Regierungschef gestellt. Mit einem Ergebnis wird am Nachmittag gerechnet.

Diskussion um Gauck-Äußerungen hält an

Bundespräsident Joachim Gauck erhält indes weitere Rückendeckung von prominenter Seite. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, lobte die Offenheit des Staatsoberhauptes. "Ein Bundespräsident hat zwar ein Amt, aber er ist auch ein Mensch", sagte Schneider der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post". Das Amt werde fade und langweilig, wenn der Mensch nicht mehr erkennbar sei. "Seien wir froh, dass wir einen meinungsfreudigen Bundespräsidenten haben."

Gauck hatte sich mit Blick auf die mögliche Wahl des Linke-Politikers Bodo Ramelow zum Ministerpräsidenten in Thüringen skeptisch gezeigt, ob sich die Linke weit genug von der Linie der SED und ihrer Unterdrückungspolitik in der DDR entfernt habe. Politiker von SPD, Grünen und Linken kritisierten daraufhin, Gauck habe sich in die Tagespolitik eingemischt, obwohl er als Bundespräsident unparteiisch sein sollte. Zuspruch kam dagegen vor allem aus der Union.

Unterstützung erhielt Gauck nun auch vom Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn. Der Bundespräsident nehme mit seinen Aussagen "die Opfer des SED-Unrechts ernst", sagte Jahn der "Thüringer Allgemeinen". Gauck habe darauf hingewiesen, dass Menschen Probleme hätten, Vertrauen zur Linkspartei und ihrem Umgang mit ihrer Vergangenheit zu entwickeln. "Warum sollte Joachim Gauck nicht auch in dieser Funktion zur Aufarbeitung der SED-Diktatur beitragen können?"

Der frühere DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer übte hingegen scharfe Kritik an Gauck. "Er hat die Grenzen seines Amtes überschritten. Das hätte er gegenüber Freunden äußern können, aber nicht als Bundespräsident", sagte der Theologe der "Passauer Neuen Presse". "Er schürt hier diffuse Ängste, die Kommunisten könnten wiederkommen. Es hätte nur noch gefehlt, dass er gesagt hätte, der Russe kommt bald wieder."