Die Stadt will Wohnungen, der Hausbesitzer Zimmer für käufliche Liebesdienste: Was in den oberen Stockwerken der Häuser an der Leonhardstraße stattfinden darf, muss nun das Verwaltungsgericht entscheiden.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Der 87-jährige Eigentümer versteht nicht ganz, was er noch beweisen soll: „Ich war 1968 im Rathaus. Damals sagte man mir, wir sollen in die Leonhardstraße gehen, dort werde man ein Auge zudrücken.“ Der Mann tritt als Kläger gegen die Stadt vor dem Verwaltungsgericht auf. Er will eine Baugenehmigung für zwei Häuser an der Leonhardstraße. Statt als Wohnungen sollen diese Gebäude als Laufhäuser genutzt werden können, in denen Prostituierte in einzeln vermieteten Zimmern ihre Dienste anbieten können.

 

Der Streit dauert schon seit Jahren an

Die Besitzer der Häuser argumentieren, dass die Nutzung schon so gewesen sei, bevor die Vergnügungsstättenordnung der Stadt Stuttgart in Kraft getreten sei. Die Verwaltung hatte diese im Jahr 1985 erlassen, damit sie kontrollieren kann, wo das Laster sein Pflaster findet. Eine der Vorschriften darin legt fest, dass vor 1985 betriebene Vergnügungsstätten weiterhin an ihrem Ort bleiben dürfen. Jedoch dürfe ein neues Etablissement nur aufmachen, wenn vorher an anderer Stelle eines schließe. „Die Stadt will keine Neuansiedlung“, erläuterte die Richterin. Das wollen die Besitzer auch nicht. „Wir wollen nur die Verhältnisse legalisieren“, erklärten sie.

Eines der Häuser, um die sich der Streit dreht, hat nicht nur ein ereignisreiches Innenleben, sondern auch schon eine Vielzahl verschiedenster Genehmigungsverfahren durchlaufen. Mit der Baugenehmigung für einen Wohnhausneubau im Jahre 1908 fing die Geschichte an. Jahrzehntelang blieb es per Genehmigung ein Wohnhaus, bis 1971 dem Pachtvertrag für eine Gaststätte im Erdgeschoss zugestimmt wurde. Drei Jahre später folgte eine Schankgenehmigung für einen Barbetrieb mit Schmalfilmvorführungen.

Dass in den oberen Stockwerken käufliche Liebesdienste angeboten werden sollten, sei zum ersten Mal einer Polizeistreife am 18. August 2004 aufgefallen. Sie hätten, so die Richterin, „umfangreiche bauliche Maßnahmen“ gesehen, mit dem Zweck, in den oberen Geschossen ein Laufhaus einzurichten. 2005 wurde eine nachträgliche Baugenehmigung erteilt, die den Umbau der oberen Stockwerke erlaubte. Im ersten und zweiten Stock sollten damals zwei bestehende Wohnungen zu einer zusammengelegt werden, im Dachgeschoss sollte ein Büro entstehen. „Die Baugenehmigung wurde am 30. August für Wohnungen erteilt, nicht für eine Vergnügungseinrichtung“, so die Richterin.

Es gibt bisher nur eine Genehmigung für Wohnungen

In der Folge begann der Rechtsstreit, der nun zu der Verhandlung am Stuttgarter Verwaltungsgericht führte. Denn die Besitzer beantragten die Genehmigung eines Laufhauses, in dem Prostituierte arbeiten. Die Eigentümer stellten wieder einen Antrag. Dieses Mal wollten sie eine Nutzungsänderungsgenehmigung erhalten. Die bekamen sie aber nicht, stattdessen flatterte ihnen im März 2008 eine Nutzungsuntersagung ins Haus. Dagegen kamen die Hausbesitzer auch nicht an, als sie „nach langer und hartnäckiger Recherche“ Zeuginnen auftrieben, die eidesstattlich versicherten, schon vor 1985 in dem Haus als Prostituierte gearbeitet zu haben. Auch für ein zweites Haus im Viertel erteilte die Stadt eine Nutzungsuntersagung. Mit dem Widerspruch dagegen befasst sich zurzeit das Regierungspräsidium.

Am kommenden Dienstag will die Kammer den Tenor ihrer Entscheidung verkünden. Die Richterin legte schon jetzt dar, in welchen Punkten sie anderer Ansicht sei als die Kläger. So sehe sie keinen Bestandsschutz gegeben, da die Hausbesitzer seit 2005 eine Baugenehmigung für Wohnungen hätten. Der Argumentation des Anwalts, die Satzung der Stadt sei zu „unbestimmt“, könne sie nicht nachvollziehen. Der Bestandsschutz sei klar geregelt.