Schon lange plant das Land einen Gefängnisneubau. Klar ist, dass er im Raum Rottweil stehen soll. Doch die Suche nach dem passenden Standort ist gepflastert mit Fettnäpfchen. Einen Favoriten gibt es schon.

Rottweil - Die Suche nach einem Standort für eine neu zu bauende Justizvollzugsanstalt in Baden-Württemberg erfolgt auf einem mit Fettnäpfchen zugestellten Weg. Kurz vor Weihnachten tat das bei dieser Sache federführende Ministerium für Finanzen und Wirtschaft kund, man habe einen Favoriten auserkoren. Doch schon wenig später musste man beschwichtigend tätig werden, denn die betroffenen Ortschaften erfuhren nicht etwa durch ein Telefonat eines Ministers oder eines Ministerialbeamten auf dem Rathaus von der ihnen zuteil werdenden Ehre – sondern aus der Zeitung.

 

Schon lange plant das Land einen Gefängnisneubau. Klar ist, dass er im Raum Rottweil erfolgen soll. Das macht man nicht ganz freiwillig. Die Notwendigkeit einer neuen Anstalt ergebe sich aus verfassungsrechtlichen Vorgaben. Im Bereich der Landgerichte Konstanz, Rottweil, Hechingen und Waldshut-Tiengen fehle eine größere Vollzugseinrichtung. In den vorhandenen kleineren Gefängnissen könnten längere Freiheitsstrafen nicht vollzogen werden. Das Bundesverfassungsgericht mahnt aber eine regional ausgerichtete Unterbringung von Gefangenen an.

Die Rottweiler wollen kein Gefängnis in ihrer Stadt

Schon zu schwarz-gelben Regierungszeiten war das Programm Justizvollzug 2015 entwickelt worden. 2007 beschloss es die Landesregierung. Umgesetzt davon ist der Neubau einer Haftanstalt in Offenburg. Darüber hinaus sieht das Programm den Bau einer Einrichtung im Raum Rottweil, Donaueschingen und Tuttlingen vor. Die CDU/FDP-Regierung hatte bereits einen Standort gefunden. Der lag in Rottweil und fand auch im dortigen Gemeinderat Gefallen – nicht allerdings bei den Bürgern. Sie wehrten sich massiv gegen den Plan, was dazu führte, dass nach dem Regierungswechsel im Mai 2011 der neue Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) einen neuen Suchlauf nach einem geeigneten Standort für ein Gefängnis startete.

Gesucht ist ein „rund zwölf Hektar großer Bauplatz, der für die Errichtung einer Justizvollzugsanstalt mit 400 bis 500 Haftplätzen geeignet ist“. So liest man in einer Mitteilung des Konstanzer Amtes der Behörde „Vermögen und Bau Baden-Württemberg“, das den Suchlauf betreut. Nach Ende der Bewerbungsfrist am 30. März 2012 waren zwölf Vorschläge eingegangen. Fünf stammten von Kommunen, sieben von Privatleuten.

Die Betroffenen reagierten überrascht

Vor Weihnachten nun haben der Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), der Finanzminister Nils Schmid (SPD) und der Justizchef Stickelberger vereinbart, dass „in erster Linie die beiden erstplatzierten Standorte Tuningen und Weigheim“ näher untersucht werden sollen. An zweiter Stelle sollten danach vier Standorte auf dem Gebiet der Stadt Rottweil und „aus Konversionsgesichtspunkten“ auch der Standort Meßstetten einer genaueren Prüfung unterzogen werden. Bei den höchstpriorisierten Vorschlägen handelt es sich um Flächen, die einem Tuninger Landwirt gehören und sich über die Tuninger und die Weigheimer Markung erstrecken. Weigheim ist ein Ortsteil von Villingen-Schwenningen. Dadurch ist zwar nur ein Eigentümer betroffen, aber zwei Kommunen müssen konsultiert werden, zwei Gemeinderäte müssen entscheiden.

Die Betroffenen haben nach der ersten Überraschung rasch reagiert. Der Tuninger Bürgermeister Jürgen Roth telefonierte mit seinem Villingen-Schwenninger Amtskollegen Rupert Kubon und vereinbarte mit ihm, „in diesem Projekt abgestimmt vorzugehen“. Auf der Homepage Tuningens wurde flugs die Rubrik „Projekt JVA“ eingerichtet, in der Bürger die neuesten Informationen finden sollen.

Die Gemeinderäte sollen sich vor Ort in Offenburg informieren

Das steht Beispiel, dass der Schultes mit dem Justizminister Stickelberger am Tag nach Bekanntgabe der Tuninger Favoriten rolle telefoniert habe. Dabei habe der Minister bestätigt, „dass er gerne bereit ist, die Sachdiskussion über das Für und Wider eines Gefängnisses auch selbst vor Ort im Gemeinderat zu führen“. Das Justizressort bestätigt, dass Stickelberger auf Wunsch nach Tuningen und Villingen-Schwenningen zu Gemeinderatssitzungen oder Bürgerversammlungen kommen werde. Die Bürgervertreter könnten sich auch – vermutlich in Offenburg – vor Ort informieren, wie eine neue Justizvollzugsanstalt funktioniert. Es gebe auch die Zusicherung, dass man nichts gegen den Willen die Kommunen machen werde. Diese sind bei der Bauleitplanung die maßgebliche Instanz.

„Wir werden uns mit dem Thema in aller Ruhe beschäftigen und nach Kenntnis der erforderlichen Für- und Wider-Argumente in die nächste Phase des Entscheidungsprozesses einsteigen“, erklärt Roth. „Wir wollen die Standortsuche im engen Einverständnis mit den betroffenen Kommunen regeln“, hatte ja Ministerpräsident Kretschmann gesagt. „Dabei sollen auch die Bürgerinnen und Bürger beteiligt werden.“