Die historische Standseilbahn wird dieser Tage in der Bergstation von der SSB durchgecheckt. Die Frühjahrskur für die 92 Jahre alte Bahn ist eine jährliche Routine. Für eineinhalb Wochen steht die Bahn still.

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

S-Süd - Die Standseilbahn steht still. Acht Werktage lang wird „die alte Dame“ generalüberholt, wie Betriebsleiter Rüdiger Walz die 92 Jahre alte Bahn liebevoll nennt. Jedes Jahr vor Pfingsten lassen die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) der Seniorin eine Frühlingskur angedeihen. Die Linie, die keine Museumsbimmelbahn ist, sondern ganz normal in das ÖPNV-Netz eingetaktet ist, wird dann für eineinhalb Wochen lahm gelegt – jetzt noch bis Donnerstag. „Das ist wie der Tüv beim Auto. Aber unsere Aufsichtsbehörde ist das Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau in Freiburg“, erklärt Betriebsleiter Walz.

 

Das Zugseil ist 550 Meter lang und tonnenschwer

Zwei Elektriker und zwei Mechaniker, alle mit Maschinistenausbildung, sowie ein Schreiner, ebenfalls von der SSB, prüfen in der Bergstation am Waldfriedhof die Wagen, Hydraulik, elektrische Anschlüsse, Bremswege, Signalanlagen, Rolltore, Fluchtwege, Videoanlage und natürlich die Seile: das Zugseil aus Stahl mit einem Durchmesser von 35 Millimetern und das dünnere Gegenseil, das am unteren Ende des Wagens den stabilisierenden Gegenzug erzeugt.

Das 550 Meter lange, tonnenschwere Zugseil ist das Herz der Standseilbahn. Alle zwei Jahre wird es einer Sonderprüfung unterzogen, einer Magnetinduktivprüfung. „Jeder Biegewechsel ist eine Beanspruchung“ und bringe Verschleiß, den man mit bloßem Auge nicht erkenne, erklärt Walz. Er vergleicht die Prüfung mit einem Elektrokardiogramm, einem EKG: „Das ist im Grunde ein bildgebendes Verfahren, bei dem das Innere des Seils als Grafik sichtbar gemacht wird.“

Unter der Station am Waldfriedhof geben riesige Räder der Bahn Antrieb. Die Bahn hat ja selbst keinen, sie wird bloß gezogen. Die historische Anlage läuft nur noch mit, die eigentliche Anlage wurde im Jahr 2004 erneuert. Während die alten Räder, über die die Seile laufen, senkrecht gestellt sind, hat man die neuen waagerecht unter die Decke gebaut, sodass man darunter hinweggehen kann und alles im Blick hat. Außerdem spart das Platz, und man musste nicht so sehr in die Tiefe bauen, erklärt Walz.

Spagat zwischen dem Historischen und der neuen Technik

Für den Schreiner gab es auch wieder Arbeit. Eine der Türen war verzogen, musste ausgebaut und neu verleimt werden. Michael Brambacher hat auch seinerzeit die Schränke für die moderne Elektronik eingebaut, die es früher noch nicht gab, aber heute nötig ist. „Das ist immer ein Spagat zwischen dem Historischen und der neuen Technik, die man halt braucht“, sagt der Schreiner. Er hat die neuen Zusatzmöbel im Zug – das Technikpult und die Kästchen neben den Türen, in denen sich die Sicherheitstechnik verbirgt, sehr behutsam und stilecht hingekriegt. Es sei nicht einfach gewesen, sagt Brambacher, den originalen Mahagoniholzton zu treffen.

Ab Donnerstag verkehrt die Standseilbahn wieder im Takt zwischen Südheimer Platz und Waldfriedhof, täglich von 9.10 bis 17.50 Uhr alle 20 Minuten. „Und wenn der Andrang an warmen Sonntagen groß ist, dann schiebt der Fahrer auch mal eine Tour dazwischen. Denn mehr als 50 Personen dürfen, wenn keine Pandemie ist, nicht mit. Oder er lässt eine ausfallen, weil keiner mit will“, sagt Betriebsleiter Walz.