Bei Kindern kann ein Infekt mit dem RS-Virus schwerwiegende Folgen haben. Zuletzt sind enorm viele Erkrankungen aufgetreten. Im Herbst hatte die Böblinger Kinderklinik zeitweise bis zu 20 betroffene Kinder pro Tag zu betreuen. Was der Winter noch bringt, ist unklar.

Volontäre: Chiara Sterk (chi)

Kreis Böblingen - „Am meisten Sorgen haben mir der starke, andauernde Husten und das hohe Fieber gemacht“, erzählt Sonja Schweizer über die Atemwege-Infektion mit dem RS-Virus ihrer Kinder. „Zuerst hatte es unser Sohn, dann auch unsere jüngere Tochter“, erzählt sie.

 

Wie der Nachwuchs von Sonja Schweizer infizieren sich derzeit viele kleine Kinder mit dem RS-Virus. „Typischerweise tritt das RS-Virus von Oktober bis April auf“, erläutert Lutz Feldhahn, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin in Böblingen. „Die meisten erkranken in der Regel zwischen Januar und Februar.“ Dass die Infektionen dieses Jahr so früh auftreten, führt Feldhahn auf die Corona-Pandemie und den Lockdown zurück: „Dadurch, dass letzten Winter die Kitas und die Schulen geschlossen waren, konnte sich das RS-Virus nicht so stark verbreiten und die Immunsysteme wurden nicht trainiert.“

Eltern haben schwache Symptome, Kinder sind richtig krank

„Bei unserem Sohn fing es mit Schnupfen an und, dass ihm alles wehtat“, berichtet Sonja Schweizer. „Er hat immer stärker gehustet, bis er sich erbrochen hat.“ Dann kam das Fieber. Kurze Zeit darauf wurden auch die Eltern und die Tochter krank. Die Eltern hatten nur schwache Symptome, aber auch die Tochter hat gefiebert und stark gehustet. „Wir waren alle paar Tage beim Kinderarzt, um mit ihm abzusprechen, ob wir in die Klinik müssen“, berichtet sie. Die Abwägung sei den Eltern schwergefallen: „Die Sorge, zu spät zu reagieren, ist immer da“, sagt Schweizer. „Aber wir wollten niemandem ein Bett wegnehmen und wollten unsere Kontakte reduzieren.“

„Oft erkennt man die Infektion an einem hohen Hüsteln“, weiß der Arzt. Übertragen werden die Viren beim Sprechen, Husten, Niesen und über Oberflächen. Die meisten Säuglinge infizieren sich im Alter zwischen drei und sechs Monaten mit dem Virus. „Zu diesem Zeitpunkt sind die Atemwege noch sehr klein, der Körper reagiert daher mit einer gesteigerten Sekretproduktion, wodurch sie noch schlechter atmen können“, beschreibt der Kinderarzt. Frühgeborene sowie Kinder, die an Mukoviszidose oder einer Herz-/Lungenerkrankung leiden, haben zudem ein größeres Risiko, schwer am RS-Virus zu erkranken. Immunität gibt es nicht, aber eine zweite Infektion verläuft meist deutlich schwächer. Bis zu einem Prozent der Erkrankten stirbt am RS-Virus, je nach Risikogruppe.

Behandelt werden kann das RS-Virus nicht, nur die Symptome

Familie Schweizer musste mit ihren Kindern nicht in die Klinik. „Wann Kinder ins Krankenhaus sollten, können die Eltern meist am besten einschätzen“, erläutert Feldhahn. Generell gelte aber: „Neugeborene und junge Säuglinge mit hohem Fieber sollten zum Kinderarzt“. Behandelt werden kann das RS-Virus nicht, nur die Symptome. „Daher muss man die Kinder genaustens überwachen, um zu erkennen, wann sie Sauerstoff brauchen“, beschreibt Feldhahn. Dann gehe es darum, mit verschiedenen auf die Kinder zugeschnittenen Inhalationstechniken das Atmen zu erleichtern. Cortison hilft außerdem, um die Entzündungsreaktionen in den Atemwegen zu hemmen. Dass die Kinder intubiert werden müssen, also an eine Beatmungsmaschine angeschlossen werden, erfolgt äußerst selten. „Das versuchen wir möglichst zu vermeiden“, sagt Feldhahn. Frühchen und Kindern mit anderen Risikofaktoren können vor einer RS-Infektion geschützt werden, indem ihnen im ersten Lebensjahr mehrmals Antikörper verabreicht werden. Eine hundertprozentige Garantie sei das zwar nicht, aber die Hospitalisierungsrate könne so niedrig gehalten werden.

In der Böblinger Kinderklinik sinken die Fälle von RS-Patienten derzeit wieder. „Wir haben gerade noch acht Kinder auf der Station, teils mit ausgeprägten Lungenentzündungen“, berichtet der Experte. Seit August war die Kinderklinik immer wieder übervoll, mit einer Auslastung von über 100 Prozent: „Zeitweise hatten wir zusätzlich zu anderen Krankheitsbildern zwischen 15 und 20 Kinder pro Tag mit einer RS-Infektion bei einer Gesamtkapazität von 80 Betten“, sagt Feldhahn. Das hätten besonders die Pflegenden die letzten Monate deutlich zu spüren bekommen. Entwarnung gibt er trotzdem nicht: „Theoretisch stehen uns die harten Monate noch bevor.“

Das RS-Virus befällt die Atemwege

Verbreitung
Das Respiratorisches Synzytial (RS) Virus ist ein weltweit verbreiteter Erreger von akuten Erkrankungen der oberen und unteren Atemwege in jedem Lebensalter und einer der bedeutendsten Erreger von Atemwegsinfektionen bei Säuglingen, insbesondere Frühgeborenen und Kleinkindern. „Das RS-Virus ist wie das Coronavirus ein RNA-Virus“, erklärt Lutz Feldhahn, Chefarzt der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin in Böblingen. Etwa ein Fünftel aller Atemwegserkrankungen werden durch RS-Viren verursacht.

Symptome
Eine RSV-Infektion beim Säugling äußert sich mit Symptomen wie Fieber bis 39,5 ° Celsius, laufender Nase, Husten und Atembeschwerden. Durch die behinderte Atmung wird das Trinken erschwert und das Kind zeigt deshalb häufig auch Trinkschwäche. Es kann zu einer Bronchitis kommen. Bei Kleinkindern und vor allem bei Säuglingen kommt es häufig zu schwereren Verläufen, die eine stationäre Behandlung im Krankenhaus erfordern können.