Im 6000 Kilometer entfernten Kongo sollen sie Kriegsverbrechen begangen haben - von Baden-Württemberg aus. Für den Führer der Miliz FDLR und seinen Vize fordert die Anklage in Stuttgart nach einem vierjährigen Prozess nun lange Haftstrafen.

Stuttgart - Wegen Gräueltaten im Kongo hat die Anklage im Stuttgarter Ruanda-Prozess eine lebenslange Freiheitsstrafe für den Hauptangeklagten gefordert. Als Führer der Hutu-Miliz FDLR („Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas“) seien deren Verbrechen in der Demokratischen Republik Kongo Ignace Murwanashyaka zuzuweisen, als hätte er sie selber begangen, sagte ein Bundesanwalt am Mittwoch vor dem Oberlandesgericht nach mehr als 300 Verhandlungstagen.

 

Der 52-jährige FDLR-Führer steht seit Anfang Mai 2011 wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie Rädelsführerschaft und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor Gericht. Sein Vize-Chef Straton Musoni (54) muss sich ebenfalls wegen Rädelsführerschaft verantworten. Für ihn beantragte die Bundesanwaltschaft eine Haftstrafe von zwölf Jahren.

Der militärische Flügel der FDLR sei im Kongo für die Plünderung, Vergewaltigung und Tötung etlicher Zivilisten verantwortlich gewesen, sagte der Bundesanwalt. Die Taten hätten sich nicht nur gegen kongolesische Soldaten und Kämpfer gegnerischer Gruppen gerichtet, sondern bewusst auch gegen Zivilisten. „Die FDLR wollte gezieltes Leid anrichten, um es als politisches Druckmittel zu instrumentalisieren.“

Keine Reue

Die Bundesanwaltschaft ist der Überzeugung, dass Murwanashyaka als Oberbefehlshaber des militärischen Flügels der Miliz die Taten hätte verhindern können. Er sei der „Archetyp eines Überzeugungstäters“ und habe während des Prozesses keinerlei Reue gezeigt.

Laut Anklage sollen die zwei FDLR-Funktionäre von Mannheim und Neuffen (Kreis Esslingen) aus per Satellitentelefon, SMS und E-Mail die Rebellengruppe im Ostkongo kontrolliert haben. Die Verteidigung hingegen argumentiert, die Angeklagten hätten keine Kontrolle über den militärischen Flügel der Miliz, sondern nur eine politische Funktion in der FDLR gehabt. Ihre Plädoyers werden am 27. Juli erwartet.

Die FDLR geht auf den Völkermord in Ruanda 1994 zurück. Nach Auseinandersetzungen zwischen den Volksgruppen der Hutu und Tutsi, bei denen rund 800 000 Menschen starben, flohen mehr als zwei Millionen Ruander - mehrheitlich Hutus - in die angrenzende Demokratische Republik Kongo. Dort wurde später die FDLR gegründet, die Teile Ostkongos kontrollierte.

Die Angeklagten müssen sich nun für Taten der FDLR aus den Jahren 2008 und 2009 verantworten. Der Prozess ist einer der ersten in Deutschland nach dem 2002 eingeführten Völkerstrafgesetzbuch. Dieses ermöglicht es deutschen Gerichten, Kriegsverbrechen selbst dann zu ahnden, wenn sie im Ausland begangen wurden.