Zeitgenössischen Kennern der Materie war es dagegen ein intellektuelles Vergnügen, den kunstgeschichtlichen Anleihen des Meisters und ihrer Transformation auf die Spur zu kommen. Rubens selbst ging es gerade darum, seine Figuren nicht wie „angemalten Marmor“ aussehen zu lassen, wie er in seinem Traktat „Über das Kopieren von Statuen“ schrieb, sondern möglichst lebendig. Und dass er warme menschliche Haut malen konnte wie kein Zweiter, ist auch in dieser Ausstellung, in der antikische Nacktheit mit Rubens’ Affektstärke und seinen brodelnden Bildkompositionen eine unwiderstehliche Verbindung eingeht, wieder auf Schritt und Tritt zu sehen.

 

Zur anatomischen Durchdringung seiner Vorlagen gehörte es für Rubens, sie zeichnerisch aus vielerlei Perspektiven festzuhalten. In seinen Gemälden verwendet er sie dann kopfüber, gekippt, gestaucht, gespiegelt oder aus der Rückenansicht. Tizians Abschied des Adonis von Venus etwa dreht er um. Venus ist bei ihm frontal dargestellt, während Adonis, schon im Aufbruch, dem Betrachter den Rücken kehrt. Verstärkung erhält die Liebesgöttin, die den Geliebten zurückzuhalten versucht, von Cupido, der sich an den Oberschenkel des Jünglings klammert. Bei Tizian hält das Helferlein pflichtvergessen ein Nickerchen im Wald.

Venus und Cupido frieren

Grundlage eines anderen Venus-Bildes ist wiederum die römische Skulptur der kauernden Venus, in Frankfurt ebenfalls in einer Replik gezeigt und ursprünglich eine Darstellung der für ein Bad entkleideten, sehr entspannt wirkenden Göttin: Rubens lässt sie trauernd vor dem bei der Jagd getöteten Adonis knien. Und noch einmal kommt die antike Figur in der „Venus Frigida“, der frierenden Venus, zum Einsatz, die – in einer ungewöhnlichen Bilderfindung – halb abgewandt am rechten Bildrand hockt, bibbernd und missmutig. Der treue Cupido, auch hier zur Stelle, versucht sich derweil mit ihrem dünnen Schleier vor der Kälte zu schützen.

Einen Seitenblick wirft die Ausstellung zum Schluss auf Rembrandt. Dessen monumentale Blendung Simsons ist unverkennbar von Rubens’ Prometheus inspiriert. Aber anders als der heroischen, auf den antiken Laokoon zurückgehenden Figur des gestürzten Titanen bei Rubens geht dem Helden bei Rembrandt alle klassische Körperlichkeit ab. Wie überhaupt der Gegensatz zwischen dem flämischen Malerfürsten und dem führenden barocken Künstler der nördlichen Niederlande kaum größer sein könnte. So hat sich der aus patrizischem Haus stammende Rubens nie als Maler porträtiert, von Rembrandt gibt es dagegen jede Menge Selbstbildnisse mit Pinsel und Palette. Aber das ist eine Geschichte für eine andere Ausstellung.