Tu Gutes und mach es klickbar: So funktioniert die Selbstvermarktung im Internet. Sie ist anstrengender als Werbung früher, aber sie lohnt sich auch, findet der StZ-Kolumnist Peter Glaser.

Stuttgart - Lange Zeit gab es in den Medien eine strikte Arbeitsteilung: Der Journalismus war für die schlechten Nachrichten zuständig, die Werbung für die guten. Die Konsumenten der Nachrichten hatten dabei wenig zu melden. Antworten waren nicht vorgesehen, außer vielleicht ein paar ausgewählte Zeilen aus Leserbriefen. Daneben gab es noch die etwas weniger offensichtliche Arbeitsteilung zwischen Nachrichten, die objektiv und unparteiisch sein und solchen, die still Einfluss nehmen wollten – PR. Die „objektive“ Seite kann man mit einer Anekdote beschreiben. Ein altgedienter „Spiegel“-Redakteur soll einmal in den Siebzigerjahren gesagt haben: „Wenn im Spiegel zum ersten Mal das Wort „ich“ steht, erschieße ich mich.“ Zu hoffen ist, dass der Mann sich besonnen hat, denn schon im darauffolgenden Jahrzehnt schlich sich das „Ich“ auch in die vierte Gewalt ein. Im „Spiegel“ durften Journalisten dann sogar Namen haben, während zuvor nicht gezeichnete Artikel ein Inbild von Sachlichkeit abgeben sollten.

 

Und dann waren da auch noch Menschen, die uneigennützig tätig waren. Non-Profit-Organisationen, NGOs. Oder menschenfreundliche Milliardäre wie Bill Gates. Der im Swedish Medical Center in Seattle geborene Gates spendete einmal nobel für ein neues Mutter-und-Kind-Zentrum des Krankenhauses und fiel dabei – mit der Frühform eines Selfies – einer typischen PR-Panne zum Opfer. Zur Eröffnung des neuen Zentrums wurde sein Foto zu denen der übrigen Honoratioren gehängt, die im Hause geboren worden waren. Gates aber hatte ein Foto von sich als Erwachsenen geschickt, das nun als einziges aus Hunderten von Säuglingsfotos hervorstach.

Lieber Wildwasser als Sonnenschein und Flaute

Kurz: es ist nicht einfach, über sich selbst Nettes in die Öffentlichkeit zu tragen. Seit es das Internet und die sozialen Medien gibt, kann man die Teilnehmer, in die sich die ehemaligen Konsumenten inzwischen verwandelt haben, nicht nur zum Dialog aufrufen. Sie nehmen diesen Aufruf, zum Schrecken manchen Anbieters, auch tatsächlich wahr. Damit bekommt die Kommunikation ein unkontrollierbares Element. Wie man damit umgeht, müssen wir alle gerade erst lernen. Heute macht jeder auf sich aufmerksam, ob mit einem Blog, auf Twitter, Facebook oder über einen der zahlreichen anderen Kanäle im Netz. Und da man im Netz nur durch das existiert, was man von sich gibt, muss man sich eine digitale Identität schaffen und sie mit dem ausstatten, was man Reputation nennt. Dass man dazu nicht in Pakistan Leute mietet, die für einen „gefällt mir“ klicken, dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben. Öffentlichkeitsarbeit oder Diskussion, wenn man sie im digitalen Zeitalter ernsthaft, mit langfristiger Perspektive und ohne dumme Tricks betreiben will, ist eine kleinteilige, mühevolle Sache. Man muss sich nämlich auf die Menschen einlassen, die man mit seinem Angebot herbeigerufen hat.

Das funktioniert nicht immer so glatt und lächelnd wie bei der herkömmlichen medialen Frontalbeschallung, weil, siehe oben, im Netz ein unkontrollierbares Element zur Kommunikation hinzugekommen ist. Es macht den Umgang miteinander authentischer, manchmal auch schwieriger und abenteuerlicher als das bisher der Fall war. Aber besser eine Wildwasserfahrt, nach der alle Beteiligten stolz sein können auf Einsatzfreude und Kampfgeist, als ein schönes Segelboot in einer Flaute.