Untiefen, Sandbänke und Kurven: Die Rems in Waiblingen war kein idealer Ort für den Wassersport. Dennoch hat Rudern dort mehr als 100 Jahre Tradition. Das wird am 1. Mai gefeiert.
Sandbänke, Untiefen und ausufernd viele Windungen und Seitenarme: Die Rems zwischen der Geheimen Mühle und der Hahnschen Mühle in Waiblingen war vor ihrer Begradigung Mitte der 1930er Jahre wahrlich kein Fluss, auf dem es sich unkompliziert Boot fahren ließ. Das hielt einige Waiblinger nicht davon ab, im Jahr 1920 einen Ruderverein zu gründen: die Geburtsstunde der Rudergesellschaft Ghibellinia Waiblingen, die ihren 100. Geburtstag im Jahr 2020 auch gebührend feiern wollte und dazu unter anderem eine ausführliche Festschrift mit historischen Fotos und Presseberichten quer durch zehn Jahrzehnte herausgegeben hat.
Zum 100. Geburtstag ein Kunstwerk
Wegen des Coronavirus seien die sorgfältig geplanten Feierlichkeiten dann aber komplett ins Wasser gefallen, sagt Silke Kleinmann-Sauter. Sie hat die Vereinsgeschichte gemeinsam mit Cornelia Clostermeyer auf rund 180 Seiten zusammengefasst, und am kommenden Montag, 1. Mai, wird im Zuge der Saisoneröffnung beim Bootshaus in unmittelbarer Nachbarschaft des Freibads Waiblingen ein bisschen nachgefeiert. Neben den Programmpunkten, die zum traditionellen Event des Anruderns gehören – zum Beispiel das Entenrennen und Bootstaufen – wird dieses Mal zudem eine Skulptur präsentiert, die als Geburtstagsgeschenk gedacht war und nun mit etwas Verspätung übergeben wird. Schülerinnen und Schüler der Kunstschule Unteres Remstal haben das Kunstwerk aus künstlerisch gestalteten Skulls, den beim klassischen Rudern benutzten Stangen, gefertigt.
Schon kurz nach seiner Gründung 1920 kaufte der Verein für 500 Mark einen Renn-Riemen-Zweier mit dem Namen „Graf von Zeppelin“. Da der Vorbesitzer der Ruderclub Esslingen war, musste das Boot irgendwie aus dem Neckartal ins Remstal geschafft werden. Dabei kam laut der Vereinschronik ein alter Küferkarren zum Einsatz, auf dem das Boot von Untertürkheim nach Waiblingen geschoben wurde. Mangels eines Bootshauses wurde Graf von Zeppelin zunächst im Kesselhaus der stillgelegten Ziegelei Hess am Alten Postplatz aufbewahrt. Mit zwei Flaschenzügen musste das Boot vor dem Training herab und danach hinauf in sein Lager über einer ausgedienten Dampfmaschine gehievt werden.
Erstes Bootshaus musste der Remsbegradigung weichen
Bereits im Jahr nach der Vereinsgründung bauten die Ghibellinen ein Bootshaus direkt an der Rems, das Mitte der 1930er Jahre wegen der Flussbegradigung abgerissen und leicht versetzt wieder aufgebaut wurde. Auch eine erste Regatta richtete die Rudergesellschaft im Herbst 1920, wenige Monate nach ihrer Gründung aus.
Von 1949 an gab es dann regelmäßig Waiblinger Regatten, insgesamt 30 Stück, die zunächst jährlich, später im Zwei-Jahres-Takt stattfanden. Die Wettfahrten seien bei württembergischen Vereinen sehr beliebt gewesen, heißt es in der Chronik: „Weil man hier nicht mit Schiffsverkehr, Wind und Wellen zu kämpfen hatte und deshalb vor allem der Nachwuchs gut erste Regatta-Erfahrungen machen konnte.“ Die Zuschauenden wiederum hatten den Vorteil, dass sie ganz nah dran waren am Geschehen.
Nur zwei Boote können gegeneinander antreten
Die Besonderheit, dass auf der Rennstrecke auf der schmalen Rems lediglich je zwei Boote gegeneinander antreten können, hat ihr den Spitznamen „Schwäbisch Henley“ eingebracht. Denn auch bei der berühmten Henley Royal Regatta im englischen Henley-on-Thames starten wegen der geringen Breite der Regattastrecke lediglich zwei Boote gleichzeitig. Das vorerst letzte Regatta-Rennen hat die Rudergesellschaft wegen schwindender Teilnehmerzahlen im Jahr 2004 veranstaltet. Dass die Rems trotz geringer Breite durchaus ein effektives Training erlaubt, beweisen die vielen Erfolge von Vereinsmitgliedern bei Wettbewerben, wo die Teilnehmenden deutsche Meistertitel und sogar Vize-Weltmeistertitel erruderten.
Kurs Wer Lust bekommen hat, das Rudern auszuprobieren, kann sich einen Platz im nächsten Schnupperkurs von 12. bis 14. Mai sichern. Die Teilnahme kostet 50 Euro, Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Anmelden kann man sich bis 8. Mai. unter der Adresse www.rggw.de.
Festprogramm am Tag der Arbeit
Anrudern
Am Montag, 1. Mai, lädt der Ruderclub zur offiziellen Eröffnung der Rudersaison ans Bootshaus gegenüber der Waiblinger Rundsporthalle. Das Programm beginnt um 11 Uhr mit einem Weißwurstfrühstück. Zudem gibt es Bootstaufen und ab etwa 15.30 Uhr eine Ruderaktion. Das traditionelle Entenrennen beginnt gegen 16 Uhr.
Kunstwerk
Um 14 Uhr wird am Bootshaus eine Skulptur enthüllt, die aus Skulls besteht, welche Kinder und Jugendliche der Kunstschule Waiblingen angefertigt haben. Das Kunstwerk sollte eigentlich schon zum 100. Geburtstag im Jahr 2020 übergeben werden, doch das Coronavirus brachte die Pläne durcheinander.