Das Landratsamt meldet Erfolge bei der Sanierung der schadhaften Erdwärmebohrungen im Rudersberger Teilort Zumhof. Bei der Regulierung der Schäden an den Häusern besteht jedoch in etlichen Punkten wenig Einigkeit.

Rudersberg - Dass sich die Erde unter einem Haus bewegt, dass Risse knackend aufbrechen und alles buchstäblich aus dem Gleichgewicht gerät – das gehört wohl zu den belastendsten Szenarien, die Hausbesitzer erleben können. Im Rudersberger Teilort Zumhof sind nach Schätzung des Landratsamtees 50 Häuser durch solche Schäden betroffen, deren Ursachen das Landesamtes für Geologie fehlerhaften Geothermiebohrungen zurechnet. Inzwischen haben sich die Betroffenen organisiert, um ihre Interessen auch juristisch vertreten zu lassen: 26 in einer Interessengemeinschaft der Erdwärmebohrungsgeschädigten, sieben, auf deren Grundstück die Baufirma seinerzeit gebohrt hatte, in einer zweiten Gruppe. Ihr Schorndorfer Rechtsanwalt Ferdinand Scholl nennt sie „die Gebohrten“.

 

20 Löcher in bis zu 60 Meter Tiefe waren am Zumhof von einer Baufirma aus dem Landkreis in den Jahren 2007 und 2009 in einem Neubaugebiet am Ortsrand niedergebracht worden. Nach Ansicht von Experten wurde dabei eine unterirdische Lagerstätte von Anhydrit in etwa 40 Meter Tiefe getroffen. Durch mangelhafte Abdichtung gelangte Wasser in den Gips, der daraufhin aufquoll und die Häuser anhob.

Die Hebungsgeschwindigkeit sinkt

Im November 2009 zeigten sich die ersten Schäden, die Hausbesitzer und die Gemeinde Rudersberg drängten das Landratsamt, zu sanieren. Im Frühjahr 2013 begann eine Firma damit. Ein im Boden zurückgelassenes abgebrochenes Bohrgestänge wurde gezogen, vier so genannte Sondenschläuche aus der Tiefe entfernt, die drei letzten im vergangenen Herbst. Das neue Verfahren habe „den gewünschten Erfolg gebracht“, vermeldet das Landratsamt. Die Hebungsgeschwindigkeit habe sich von ursprünglich sieben auf jetzt drei Millimeter pro Monat gesenkt. Im Frühjahr solle erneut gemessen werden, es werde „eine weitere Abnahme der Hebungsgeschwindigkeit erwartet“.

Zeichnet sich ein Happy-End im Zumhof ab? Wird es dort wieder ein gutes Miteinander geben, wie es sich der Rudersberger Bürgermeister Martin Kaufmann wünscht? Das ist nicht sicher, denn für die Frage, wer für die Schäden aufkommt, gibt es nach wie vor keine Lösung. Man bereite sich auf eine Auseinandersetzung vor, auch wenn sie „ein Kampf“ werden sollte, sagt Armin Dellnitz, der Sprecher Interessengemeinschaft der Geothermiegeschädigten. Man sei für Verhandlungen bereit, sagt Ferdinand Scholl, der Anwalt der „Gebohrten“. Dass seine Klienten den Schaden verschuldet haben, sei nicht eindeutig. „Nichts genaues weiß man nicht“, sagt der Anwalt.

Der Knackpunkt ist laut Scholl die Art, wie die Bohrungen beauftragt worden seien. Seine Mandanten hätten die Häuser nämlich schlüsselfertig vom Bauunternehmer übernommen, als die Bohrung längst abgeschlossen war. Die Entscheidung für Geothermie sei lediglich beim Konfigurieren des Hauses abgefragt worden, als einfaches Ja oder Nein. Das sei nicht einmal die kostengünstigste Variante aller Heizungstypen gewesen, sagt Rolf Rommel, der Vater einer Haubesitzerin. Auf Risiken sei nicht hingewiesen worden, im Gegenteil: das Landratsamt selbst habe damals für Geothermie in Presseveröffentlichungen die Werbetrommel gerührt. Es habe keine Erkundungsbohrung gegeben, auch wenn das Vorkommen von Gips an den Hängen des Wieslauftals bekannt gewesen sei.

Nicht einmal eine Baugenehmigung sei damals erforderlich gewesen, ergänzt der Anwalt Ferdinand Scholl. Der Bauunternehmer unterrichtete das Landratsamt in Form einer Kenntnisgabe von seinem Vorhaben, er heftete eine zwölfseitige Expertise eines Geologen an, welcher die Bohrung gut hieß. Eine wirkliche Prüfung des Gutachtens habe damals kaum stattgefunden, sagt Scholl, der von „organisierter Arglosigkeit“ spricht. Gegen den Geologen sei inzwischen ein Zivilverfahren im Gange.

Nervliche Belastung und Unklarheit wie es weitergeht

Die „Gebohrten“ seien mehrfach geschädigt, sagt Ferdinand Scholl. Man habe ihnen die Heizungen zeitweise abgestellt oder sogar ganz außer Betrieb genommen. Wochenlang seien Bohrtrupps um die Häuser zugange gewesen, manchmal lautstark bis in den späten Abend hinein. Die Hauswände wurden verdreckt, in den Gärten blieb Zement liegen. Das bedeute, sagt Scholl, viel nervliche Belastung – verbunden mit der Unklarheit, wie die Sache weitergehe.

Diese Unklarheit sieht Armin Dellnitz von der Interessengemeinschaft der Geothermiegeschädigten auch – wobei er dem Landratsamt zugute hält, die offenkundigen Schadstellen nun beseitigt zu haben. Alle anderen Bohrlöcher müsse man jedoch im Blick behalten – falls diese nachträglich undicht würden, weil der Zement, mit welchem sie gefüllt seien, nicht dauerhaft sei. Es gebe zwar in seiner Gruppe den Wunsch, alle 20 Bohrungen zu sanieren, sagt Armin Dellnitz. Die Experten hätten jedoch erklärt, dass darin ein Risiko liege. Womöglich könne die Sanierung einen Schaden verursachen, den es noch gar nicht gebe.

„Wir haben großes Vertrauen in die Experten“, sagt Dellnitz. Es gelte, abzuwägen, um weitere Schäden zu vermeiden. Was den finanziellen Ausgleich betrifft, so spricht Dellnitz von einer „unbefriedigenden Gesamtsituation“. Es gebe nämlich erste Verhandlungen mit der Versicherung des Bauunternehmers, die aber nicht auf eine baldige Einigung hindeuteten.

„Wir stellen uns auf einen Marathon ein, nicht auf einen Sprint.“ Zwar habe der Bauunternehmer einige Schäden an den Häusern der Geschädigten auf eigene Kosten repariert. „Eine komplette Sanierung wird jedoch einige Euro mehr kosten“, schätzt Dellnitz. Es sei auch nicht geklärt, welchen Wertverlust die betroffenen Häuser tatsächlich hätten. Auch, was die Deckungssumme der Versicherungen betreffe, gebe es bisher „keine verbindlichen Aussagen“. Mit anderen Worten: Es ist generell unsicher, wie viel Geld überhaupt für den Schadensersatz zur Verfügung steht.

Die Lösung könnte sein, sagt Dellnitz, dass die Versicherungen des Bauunternehmers und der Hausbesitzer, auf deren Grundstück gebohrt wurde, gemeinsam den Schaden übernähmen. Auch Ferdinand Scholl erwähnt diesen Weg, er weist jedoch auf ein Problem hin: Wer befindet darüber, welches Loch welchen Schaden verursacht hat, wer also an wen zu bezahlen hat? Sei es überhaupt statthaft, vielen Häusern im Zumhof einen pauschalen Wertverlust zuzusprechen, weil es am Rand des Ortes die Schäden gegeben habe, fragt der Rechtsanwalt Scholl.

Ein Gewirr, dass scheinbar nicht einfach zu entflechten ist. Es sei ratsam, dies nicht im Gerichtssaal zu lösen, sagt der Jurist Ferdinand Scholl, der sich direkte Gespräche zwischen den Beteiligten vorstellen kann. „Wichtig ist für uns zu betonen, dass niemand diesen Schaden herbeiführen wollte“, betont der Schorndorfer Rechtsanwalt. „Das unterstellen wir niemandem“, betont Armin Dellnitz. Trotzdem stehe seine IG der Geothermiegeschädigten zusammen in dem Willen, den finanziellen Ausgleich zu erreichen. „Wir sind bereit, dafür zu kämpfen.“