Verkehrskonzept, Haus der Kirche, Streit um Aldi-Filiale: Brigitte Kunath-Scheffold, die Bezirksvorsteherin von Stuttgart-Degerloch blickt zurück auf 2016 und hat auch Pläne fürs kommende Jahr in der Schublade.

Degerloch - Aktenberge in farbigen Ordnern türmen sich auf dem Schreibtisch von Bezirksvorsteherin Brigitte Kunath-Scheffold an der Großen Falterstraße. Mal klingelt das Festnetz, mal ein Handy, und auch mit der Sekretärin hat sie das ein oder andere Anliegen zu klären. Von der Weihnachtszeit künden nur die gelben Sterne an den Fenstern, ansonsten arbeitet die Bezirksvorsteherin kurz vor den Feiertagen noch unter Hochdruck.

 

Dem Bezirk Impulse geben, das sei nach 16 Jahren im Amt weiterhin ihr Hauptantrieb, sagt Kunath-Scheffold. Das Bezirksrathaus ist dabei der Schlüssel. Einen „Ort der Begegnung“ abseits von Kirchen und Vereinen will sie daraus machen, offen und transparent für alle Einwohner. Podiumsdiskussionen mit Stuttgarter Persönlichkeiten der Zeitgeschichte gehörten dazu ebenso wie Initiativen, Foren und Ausstellungen.

Fürs kommende Jahr gibt es schon lose Pläne. „Ich plane eine Veranstaltung für die vielen Stifter im Bezirk“, erklärt sie. Diese „stillen Helfer“ würdige man noch zu selten. Dabei leisteten sie einen wesentlichen Beitrag zum Zusammenhalt der Gesellschaft. An Plänen und Ideen mangelt es Kunath-Scheffold jedenfalls nicht. „Ich würde gern mehr in diese Richtung machen, aber oft fehlt mir da die Zeit“, klagt die Bezirksvorsteherin. Zumal die Personaldecke dünn gewesen sei im ablaufenden Jahr. Langzeiterkrankungen führten dazu, dass weniger Mitarbeiter mehr stemmen mussten.

Nüchterner Blick auf die wesentlichen Ereignisse

Bei all den Ideen für Kommendes hat sie sich einen nüchternen Blick auf die wesentlichen Ereignisse des Jahres 2016 bewahrt. Die Grundsteinlegung zum Haus der Kirche am Agnes-Kneher-Platz zum Beispiel. „Es ist schön, dass mit der Grundsteinlegung nun ein Kapitel geschlossen ist“, sagt Kunath-Scheffold. Jahrelang hätten sich die Beteiligten um das Projekt bemüht, auch sie selbst habe dafür geworben.

Auch beim Thema Verkehr sei man einen Schritt weitergekommen. In einer der letzten Sitzungen des Jahres entschied der Bezirksbeirat einstimmig, ein Konzept von der Stadt anzufordern. Der ganze Bezirk soll dabei ins Visier genommen werden, denn an einzelnen Stellen habe man lange genug herumgeflickt. „Ich habe das lange angeregt und bin froh, dass der Bezirksbeirat das nun umgesetzt hat“, sagt Kunath-Scheffold. „Man kann nicht hier und da etwas fordern, das wird zum Flickenteppich.“ Verkehrslasten und -ströme dürften nicht punktuell verbessert werden, ein Gesamtkonzept sei gefragt. Zumal die Bezirksbeiräte bei allem Engagement keine Verkehrsexperten seien.

Wie in der ganzen Stadt war 2016 auch in Degerloch das Jahr der Flüchtlinge. Degerloch und Flüchtlinge: Diese Kombination sieht Brigitte Kunath-Scheffold bislang als Erfolgsgeschichte. Von Integration könne man freilich nach so kurzer Zeit nicht sprechen. Aber die ersten Schritte seien gemacht. Ohne den Freundeskreis Degerlocher Flüchtlinge sei das undenkbar gewesen. „Nach meinem persönlichen Empfinden ist die Arbeit des Freundeskreises herausragend“, lobt Kunath-Scheffold.

Rolle einer Vermittlerin

Beim Ehrenamtsempfang im Dezember dankte die Bezirksvorsteherin den Helfern auch offiziell. „Das Engagement für die neuen Degerlocher ist ungebrochen, jeden Tag passiert etwas“, sagt sie. Mehr Helfer wünsche man sich weiterhin, und bei allem Lob der guten Taten müsse man nun weiter am Ball bleiben. Als Bezirksvorsteherin komme ihr die Rolle einer Vermittlerin zu. „Das Ehrenamt muss begleitet und moderiert werden – in Gesprächen, bisweilen auch in Auseinandersetzungen.“

Für große Kontroversen – vor allem innerhalb der Bevölkerung – sorgte 2016 der geplante Bau eines Aldi-Discounters an der Felix-Dahn-Straße. Im September kam das Projekt einen Schritt weiter, als der Bezirksbeirat die Stadt beauftragte, eine Nachverdichtung zu prüfen. Für Kunath-Scheffold ein Beispiel für konstruktive Arbeit des Bezirksbeirats: „Da haben wir uns ein halbes Jahr Zeit gelassen, dann aber auch einen Konsens erreicht“, so die Bezirksvorsteherin. Das sei heute nicht mehr unbedingt selbstverständlich. Denn bei allem Lob für den Fleiß und Einsatz der Räte stellt die Bezirksvorsteherin einen Wandel fest. „Der Bezirksbeirat ist politischer geworden“, sagt sie. Die parteipolitischen Färbungen träten offener zutage. Einer gemeinsamen Lösung gehen oft intensivere Debatten voraus – und öfter finde man auch gar keinen Konsens. Das Personal wechsle häufiger, außerdem gebe es mehr Parteien als früher. Als Kritik will sie das aber nicht verstanden wissen. Denn weiterhin setzten sich die Räte mit allem Ernst für das Wohl des Bezirks ein. 300 abgearbeitete Tagesordnungspunkte bewiesen das.