Bei der Schulwahl werden Azubis und Betriebe wählerischer. Die Kaufmännische Schule 1 in Stuttgart will mit internationalen Schulpartnerschaften der privaten Konkurrenz trotzen. Der neue Schulleiter Uwe Peleikis geht die Sache offensiv an.

Stuttgart - Seit diesem Schuljahr leitet Uwe Peleikis Stuttgarts größte Kaufmännische Schule, die an der Hasenbergstraße beim Feuersee ihren Hauptsitz hat. Als langjähriger Vize hat er Franz Scheuermann abgelöst, der in den Ruhestand gewechselt ist – und kennt die Entwicklung der Schule. Auch Peleikis macht sich Sorgen um die rückläufigen Schülerzahlen. In den vergangenen sechs Jahren seien diese an der Kaufmännischen Schule 1 von 4500 auf 3800 geschrumpft. „Der Rückgang trifft uns extrem.“

 

Im Vollzeitbereich mache sich das besonders in der Wirtschaftsoberschule bemerkbar, wo die Teilnehmer nach mittlerer Reife und Berufsausbildung das Abi in zwei Jahren erwerben – „ein ziemlich harter Bildungsgang“, so Peleikis. Vor fünf Jahren habe man dort noch sechs Eingangsklassen bilden können, inzwischen nur noch zwei. Das Problem: „Wir können nicht mehr sicher planen: 85 Schüler melden sich an, sagen nicht ab – und es kommen 58.“ Die Betriebe meldeten Ähnliches. „Schüler kommen einfach nicht“, sagt Peleikis.

Schulleiter: Betriebe schicken ihre Schüler nicht mehr automatisch zu uns

Doch auch im dualen Bereich muss die Kaufmännische Schule 1 (KS 1) rückläufige Schülerzahlen verschmerzen, vor allem bei den angehenden Einzelhandelskaufleuten. „Es ist der beliebteste Ausbildungsberuf, aber da wird es immer schwieriger, Leute zu finden“, berichtet Peleikis. Grund sei die Konkurrenz der Privatschulen und eine veränderte Haltung der Betriebe. „Die Betriebe schicken ihre Schüler nicht mehr automatisch zu uns“, erklärt der Schulleiter. Und nennt auch die Gründe dafür: Die Privaten seien in ihrer Unterrichtsgestaltung flexibler, könnten etwa Unterrichtsausfall anders handhaben und damit auch werben.

Doch die von der Stadt getragene KS 1 hat daraus bereits Konsequenzen gezogen. Man müsse sich eben „ein bisschen mehr zum Tanz schmücken“, so nennt es Peleikis. Das Zauberwort heißt Internationalisierung. „Wir sind sehr stark international aufgestellt.“ Es gibt sogar eine wöchentliche Auslandssprechstunde. „Wir möchten es unseren Schülern ermöglichen, Auslandsaufenthalte zu machen“, sagt der Schulleiter. „In jeder Abteilung haben wir ein internationales Projekt.“ Zu den Aushängeschildern gehört der Austausch mit Spanien, den man 2010 begonnen habe. Rund 250 Schüler hätten diesen bereits genutzt. Dabei kooperieren die Stuttgarter mit Berufsschulen in Barcelona und Madrid. Bis zu zwölf Monate können die Azubis aus Stuttgart bei den spanischen Partnern zubringen. Die meisten bleiben dort zwischen vier und sechs Monaten. Vor allem für angehende Speditions- und Logistik-Kaufleute ist das Programm interessant – zumal es vom Auswärtigen Amt, dem Erasmus-plus-Projekt und dem Förderverein der Schule mitfinanziert werde. Sie übernehmen das Schulgeld – 400 Euro im Monat. Der Betrieb zahle die Ausbildungsvergütung weiter – „das ist das Investment“, sagt Peleikis. „Das macht die Betriebe interessanter – und uns auch.“ Zumal seine Schule die einzige im Land sei, die so etwas anbiete.

Die spanischen Austauschschüler werden in Stuttgart in WGs untergebracht

Die spanischen Austauschschüler habe man in Stuttgart in WGs untergebracht und sich besonders um sie gekümmert, ihnen auch Nachhilfe in der Fachsprache gegeben. „Das war erfolgreich“, sagt Peleikis, „nur so haben sie eine Chance, auf dem Arbeitsmarkt zu überleben“. Daheim sei die Arbeitslosigkeit sehr hoch.

Auch die Betriebe berichten, das Angebot stoße bei den Azubis auf starkes Interesse. Allerdings relativiert die Ausbildungsleiterin eines großen, internationalen Unternehmens diese Aussage: „Mein Hauptargument für die Kaufmännische Schule 1 ist die gute Ausbildung dort – das Austauschprogramm ist ein Pluspunkt.“ Ein Problem beim Spanienaustausch seien die Kosten: „Barcelona ist nicht gerade als Low-Budget-Destination bekannt.“ Andererseits: „98 Prozent unserer Azubis geben ein gutes Feedback.“

Doch auch bei den anderen Schularten richtet die Kaufmännische Schule ihren Blick in die Welt. So biete man neben den Berufsschülern auch den Wirtschaftsoberschülern seit fünf Jahren einen Austausch mit einer Schule im polnischen Lodz. Zum einen bei der beruflichen Ausbildung in Spedition und Logistik, zum anderen plane man gemeinsame Projekte im Gemeinschaftskundeunterricht. Angehende Verwaltungsfachangestellte können die Partnerschaft mit St. Helens nutzen, angehende Versicherungskaufleute die Kooperation mit Wien. Und seit drei Jahren können leistungsstarke Berufsschüler eine Zusatzqualifikation Internationale Geschäftsbeziehungen erwerben.

Nur zwei Interessenten an der Berufsaufbauschule

Doch auch den Kontakt daheim will Peleikis intensivieren: „Wir tauchen jetzt öfter bei den Lernorten in den Betrieben auf.“ Auch mal freitagnachmittags. Die Berufsaufbauschule ist aber vom Tisch. Es gab vier Anmeldungen – „davon kamen zwei Schüler nicht“. Auch an der Außenstelle Süd, vormals eigenständige Kaufmännische Schule Süd, wo Lagerlogistiker und Verkäufer ausgebildet würden, seien die Schülerzahlen rückläufig. „Spätestens in zwei Jahren ist das durch“, meint Peleikis. Dann werde man wohl alle Schüler am Feuersee unterbringen können.

Seitens der Stadt will man zunächst die weitere Entwicklung abwarten, Bei stärkeren Veränderungen werde man diese mit der Schulleitung analysieren und die Auswirkungen auf den Raumbedarf prüfen, heißt es im Bildungsreferat .