Abwehrmann Matthias Ginter ist zurück bei seinem Heimatclub SC Freiburg – der Nationalspieler plant den Neustart nach schwierigen Monaten.

Sport: Marco Seliger (sem)

Es ist nicht überliefert, was Matthias Ginter und Christian Streich gedacht haben, als der Bundesliga-Spielplan vor ein paar Wochen veröffentlicht wurde. Ob sie ihre gemeinsame Geschichte im Kopf hatten, die eng mit dem ersten Gegner des SC Freiburg an diesem Samstag verknüpft ist. Ob sie sich vielleicht sogar gesagt haben: Mensch, Trainer (oder: Mensch, Matze), Augsburg, da war doch was, weißt du noch?

 

Freiburg gegen den FC Augsburg, das klingt unspektakulär. Für den Spieler Ginter und den Trainer Streich war diese Partie einst nicht weniger als der erfolgreiche Startschuss in die Profikarriere.

Mehr als zehn Jahre ist es her, als Ginter, der in diesem Sommer zu seinem Heimatclub zurückgekehrte Nationalspieler, und Streich, der inzwischen ewige Trainer des SC, gemeinsam ihr Profidebüt geben. Der SC steckt im Januar 2012 tief im Tabellenkeller. Der jahrelange Jugendcoach Streich hat Marcus Sorg als Cheftrainer abgelöst. Bei seinem ersten Spiel in der Bundesliga wechselt er den 18-jährigen Ginter, den er vorher unter anderem in der A-Jugend des SC betreut hat, in der 70. Minute ein. Der köpft in der 88. Minute das Siegtor zum 1:0. Es ist der Beginn eines Erfolgswegs. Für Streich als Proficoach des SC Freiburg – und für Ginter, der 2014 nach konstant starken Leistungen unter seinem Mentor Weltmeister wird, im selben Sommer vom SC zu Borussia Dortmund und später weiter nach Mönchengladbach wechselt.

Jetzt also schließt sich ein Kreis für Ginter und Streich. Speziell gegen den Auftaktgegner Augsburg, gegen den einst alles zusammen begann. Und allgemein beim Sport-Club, wo die alten Weggefährten nun wieder gemeinsam in die Zukunft gehen.

Ablösefrei hat Freiburg den 28-jährigen Ginter aus Mönchengladbach verpflichtet, es ist ein Transfercoup, den die Breisgauer da geschafft haben. Ein deutscher Nationalspieler kommt im besten Fußballeralter nach Freiburg – so etwas gab es noch nie. Dass so ein Wechsel nun möglich ist, hat dabei nicht nur mit der Heimatverbundenheit Ginters zu tun, der 2005 als Elfjähriger in die Jugend des SC wechselte. Der SC Freiburg ist sportlich und wirtschaftlich dank des beständigen und grundsoliden Arbeitens inzwischen so gut aufgestellt, dass er auch Profis wie Ginter eine attraktive Perspektive bieten kann. Der Innenverteidiger ist jetzt also zurück in seiner Heimatstadt und bei seinem Ausbildungsclub. Etwas Spezielleres gebe es für ihn nicht, so sagt das Matthias Ginter selbst.

Auch für Streich ist die Rückkehr seines Schützlings, der den zum BVB abgewanderten Senkrechtstarter Nico Schlotterbeck ersetzt, besonders. Aber Streich wäre nicht Streich, wenn er auch hier nicht den ihm eigenen Grundpessimismus an den Tag legen würde. Damit schützt sich der Coach innerlich gegen mögliche negative Ereignisse während einer Saison. Es ist die Streich’sche Losung: Lieber mit dem Schlimmsten rechnen – in der Hoffnung, dass es nicht eintritt.

Also sagt er jetzt, dass Ginter als Rückkehrer in seine Heimat „keine geringe Erwartungshaltung“ spüren dürfte. Er meint damit den großen Druck, der auf Ginters Schultern lastet. Da aber dürfte es sich gut treffen, dass der Nationalspieler selbst die höchste Erwartungshaltung hat und sich den größten Druck selbst macht – weil er wieder zu einem Nationalspieler werden will.

Denn nach einer sportlichen Talsohle in Mönchengladbach nominierte Bundestrainer Hansi Flick den Abwehrmann zuletzt nicht mehr. Der Austausch zwischen den beiden ist intensiv, die Sprachregelung ist die: Erreicht Ginter in Freiburg wieder seine Topform, dann führt im deutschen Kader fürs Turnier in Katar kein Weg an ihm vorbei.

Leiden in Gladbach

Dass Ginter zuletzt nach langer Zeit nicht dabei war im Kreis der DFB-Elf, lag an den vergangenen Monaten in Mönchengladbach. Da lief es nicht mehr rund – auf dem Platz und daneben. „Ich habe es nicht geschafft, bei mir zu bleiben“, sagt der Abwehrmann dazu im Rückblick und ergänzt: „Diese Nebenschauplätze, die gefühlt jede Woche im Hintergrund abliefen, was man mit mir gemacht hat und machen wollte, habe ich nah an mich herangelassen, weil ich sehr mit dem Verein verbunden war.“ Er habe, so Ginter weiter, nun „leider auch die unschönen Seiten des Profigeschäfts kennengelernt“.

Die Kurzfassung des Streits geht so, dass der Spieler dem Club mit Blick auf den vergangenen Sommer irgendwann vorwarf, ihn loswerden zu wollen, um bei einem Jahr Vertragslaufzeit noch eine Ablöse zu erzielen – und im Herbst, als Ginter doch noch da war, ein halbherziges Angebot zur Verlängerung gemacht zu haben und ihn dann noch als eine Art Raffzahn darzustellen. Der neue Gladbacher Sportdirektor Roland Virkus setzte irgendwann einen veritablen Konter: „Ich habe gelernt, nie schlecht über andere Menschen und den alten Arbeitgeber zu sprechen – das macht man nicht, und das habe ich Matze auch so mitgeteilt“, sagte er.

Viel ist kaputt gegangen bei Ginter und Gladbach. Jetzt wagt der Nationalspieler den Neustart auf vertrautem Terrain.