Die Abriegelung des Flüchtlingskorridors der Balkan-Route trifft Belgrad besonders hart. Es kann den Rückstau nur begrenzt wieder auflösen.

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Belgrad - Das unfreiwillige Wiedersehen mit den erst vor wenigen Tagen in den Zug gesetzten Durchreisenden löste bei den verblüfften Gastgebern keine Freude aus. Nochmals werde Serbien die Rückführung von Immigranten aus Kroatien nicht zulassen, reagierte Serbiens Sozialminister Aleksander Vulin in dieser Woche ungehalten auf die Nachricht, dass 217, vor allem aus Afghanistan stammende Flüchtlinge, nach der Verweigerung ihrer Einreise in Slowenien von den kroatischen Behörden umgehend per Zug zurück ins serbische Sid verfrachtet wurden: „Die kroatischen Behörden kontrollieren alle Immigranten, die auf ihr Territorium gelangen, – und übernehmen damit für sie die Verantwortung. Wenn Slowenien danach die Leute nicht weiter reisen lässt, ist das ihre und nicht unsere Sache.“  

 

Jedes Land versucht nur seine eigenen Probleme zu lösen

Die von Österreich forcierte Abriegelung des Flüchtlingskorridors der so genannten Balkanroute sorgt nun schon nach wenigen Tagen für den Domino-Effekt verstärkter Grenzkontrollen – und vermehrten Nachbarschaftsstreits. Kroatien müsse seine Politik beenden, Immigranten die schnelle Durchreise zu ermöglichen, begründet Sloweniens Innenministerin Vesna Gjerkes Znidar das verschärfte Einreiseregime. Jeder Anrainer-Staat schaue nun nur noch auf den eigenen Vorhof, um eine Lösung für den eigenen Teil des Problems zu finden, umschreibt Rados Djurovic, der Direktor des Belgrader Zentrums zum Schutz von Asylsuchenden, die derzeitige Stimmung an der Balkanroute: „Doch genau diese Haltung schafft Probleme. Denn die Flüchtlingskrise lässt sich nicht selektiv lösen.“  Gleichwohl wurde er am Freitag in seiner Auffassung bestätigt. Nach einem Bericht der serbischen Regierungszeitung „Novosti“ schloss Serbien seine Grenze zu Mazedonien, weil Kroatien den Weitertransport eingestellt hat. In der Grenzstadt Sid stauten sich die Menschen, hieß es weiter. Eine Bestätigung der Regierung in Belgrad war dafür aber zunächst nicht zu bekommen.

Die EU plane zum 1.März ihre Außengrenze auch für Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und Irak vollständig zu schließen, berichtet am Freitag die serbische Zeitung „Danas“ unter Berufung auf EU-Kommissionskreise in Brüssel. In den Transitstaaten finden derartige Botschaften eher nervöses Gehör. Denn ob in oder außerhalb der EU: Zur dauerhaften Beherbergung einer größere Zahl von gestrandeten Flüchtlingen im eigenen Land ist bisher fast keiner der strukturschwachen Anrainerstaaten gerüstet.

Dominoeffekt geschlossener Grenzen

  Die sich abzeichnende Demontage des Balkankorridors ereilt Mazedonien und Serbien mitten im Vorwahlkampf. Doch es ist nicht nur die Furcht vor Flüchtlingskomplikationen im Stimmenstreit, die Belgrad mit Sorge erfüllt. Die Möglichkeiten, den Druck des Domino-Effekts sich schließender Grenzen an Mazedonien weiter zu geben, sind begrenzt – und die Abzäunung zu Bulgarien oder gar den Kosovo für den Transit-Staat praktisch unmöglich.   Es sind weniger humanitäre Überzeugungen als das Wissen um das Machbare, das Serbiens Würdenträger bisher vehement gegen Grenzzäune argumentieren lässt. Zum einen ließe sich ein Grenzzaun zu Mazedonien im Dreiländereck über Kosovo von den Schleppern leicht umgehen. Zum anderen lässt Serbiens Verfassung eine Abzäunung des von Belgrad immer noch als eigenes Territorium betrachteten Kosovo auch gar nicht zu.   Serbien werde nicht zu einem „Auffanglager“ werden, versichert Innenminister Nebojsa Stefanovic: „Diejenigen, die nicht in die EU einreisen dürfen, können auch bei uns nicht bleiben.“

Doch auch weil Serbien über kein funktionierendes Rücknahme-Abkommen mit Mazedonien verfügt, sieht Djurovic sein Land bei der Abriegelung der Balkanroute und anhaltenden Flüchtlingsdrucks in einer „problematischen “ Lage: „Auf der einen Seite kommen die Leute ins Land. Auf der anderen Seite weiß es nicht, wohin mit ihnen.“ Die illegale Immigration und die Zahl der in der „Grauzone“ gestrandeten Flüchtlingen werde zunehmen, so seine Prognose: „Wir sehen hier immer mehr Menschen, die nicht mehr weiter wissen und am Bahnhof rumhängen – ohne Geld, Nahrung und Unterkunft.“