Der Eurokritiker und CSU-Vizevorsitzende Peter Gauweiler tritt zurück, weil er die Europolitik nicht mitträgt und sich nicht verbiegen lassen will.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München - So genannte Querköpfe haben in der Bundesrepublik kein gutes Ansehen. Wenn das Publikum „quer“ hört, denkt es fast immer gleich die unschönen Begriffe Querulant und Quengelei mit, also an Nörgler, denen es meist reicht, dass gemeckert worden ist. Der CSU-Politiker Peter Gauweiler nun aber, ein klassischer Querkopf und mittlerweile 66 Jahre alt, widersprach selten der Mainstream-Meinung, damit widersprochen wurde (wobei es auch das gab), sondern weil er seine eigenen Ansichten hatte – sie meistens begründen konnte und zu ihnen stehen wollte. Notfalls nahm er Konsequenzen in Kauf, auch jetzt. Aber der Reihe nach.

 

Am Dienstagvormittag gibt Gauweiler, seit 2002 Mitglied des Bundestags, sein Berliner Mandat ab und zugleich den Verzicht auf das Amt des Vize-Vorsitzenden der CSU bekannt. Die Erklärung, wohl formuliert und zurückgelehnt geschrieben, ist aus gleich mehreren Gründen bemerkenswert. Gauweiler verwendet als Briefkopf den Titel „Bayerischer Staatsminister a. D.“, was daran erinnert, dass er in der Regierung von Max Streibl und anfangs noch unter Edmund Stoiber, dreieinhalb Jahre für Landesentwicklung und Umweltfragen zuständig war. Dann stolperte der promovierte Jurist über Untersuchungen zu Undurchsichtigkeiten bei der Verpachtung des Mandantenstamms seiner Münchner Kanzlei.

Größtenteils wurde er später vor einem Landtagsausschuss rehabilitiert, doch blieben Zweifel. Im Landtag amtierte Gauweiler bis 2002 als Fraktionsmitglied, dann folgte der Wechsel nach Berlin über das Direktmandat München-Süd. Gauweiler wäre dort ein Einzelkämpfer und beständiger Kläger zum Beispiel gegen den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr oder Euro-Bonds geblieben, hätte ihn Horst Seehofer nicht 2013 wieder stärker in die Partei einbezogen und gleich zur Wahl ins Präsidium bewegt. Gauweiler streicht in seiner Erklärung deutlich heraus, dass die CSU doch wohl gewusst haben müsse, auf wen sie sich da einließ: „Wer Peter Gauweiler zum stellvertretenden CSU-Vorsitzenden wählte, wusste genau, welche Position in Sachen Euro und Rettungspolitik damit gewählt wurden.“ Es passt zu Gauweilers recht unerschütterlichem Selbstbewusstsein, dass er von sich in der dritten Person redet. Es passt aber auch zu ihm, dass er nicht bereit war, im Bundestag für das Gegenteil von dem zu stimmen, „was ich seit Jahren vor dem Bundesverfassungsgericht und vor meinen Wählern vertrete“, wie er schreibt.

Gauweilers hat Seehofers Wunsch ignoriert

Gauweilers Nein beim Absegnen des jüngsten Griechenland-Pakets im Parlament war Gegenstand der letzten Präsidiumssitzung. Seehofer hatte sich Geschlossenheit der CSU erbeten, Gauweiler (wie Peter Ramsauer, der allerdings politisch nahezu bedeutungslos ist) diesem Wunsch zuwider gehandelt. In seinem Brief begründet Gauweiler dies mit einschlägigen Zitaten aus dem Europaplan der CSU (zum Beispiel: „Die Finanzierung von Krisenstaaten lehnen wir ab.“), mit erdacht von Gauweiler, mehrheitlich beschlossen von der CSU.

Mit dieser Haltung – und Gauweiler als entschlossenem Gesicht des finanzpolitischen Euroskeptikers – hatte die CSU, allen voran Seehofer, aber auch die CDU insgeheim, gemeint, bei den Europawahlen ein ähnlich gutes Ergebnis wie zuletzt bei Landtags-und Bundestagswahlen erzielen zu können. Diese Rechnung ging nicht auf. Gauweiler nahm das nicht weiter tragisch, blieb am Wahlabend der Parteizentrale in München demonstrativ fern und aß lieber Eis am Starnberger See, änderte aber, für Außenstehende wenig erstaunlich, seine Meinungen nicht.

Er geht selber, auch um das Gesicht zu wahre

Seehofer hingegen begann die Positionen anlassgemäß neu auszulegen und zu revidieren. Das konnte nicht gut gehen, und es ging auch nicht gut: auf der erwähnten Sitzung echauffierte sich Seehofer über Ramsauer, den er persönlich nichts ausstehen kann (und umgedreht), und Gauweiler, von dem er sich mehr versprochen hatte. Am Ende lief es angeblich auf eine Duellformel hinaus: „Ihr oder ich“. Rauswerfen allerdings lässt sich der Staatsminister a. D. Peter Gauweiler nicht. Schon damals ging er von selbst.

So auch jetzt. Seine Verantwortung gegenüber dem Wähler, schreibt Gauweiler, werde „in einen kategorischen Gegensatz zur Parteilinie“ gestellt. Das erfordere Konsequenzen – und Gauweiler lässt sie sich, wie gesagt, nur ungern diktieren. Auf dem nächsten Parteitag wäre er – trotz erheblichem Rückhalt unter Konservativen in der CSU – kaum mehr gewählt worden. Also verlässt er die Bühne direkt, auch um sein Gesicht zu wahren. Fast süffisant dankt er dem Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU), der sich „immer wieder für die Rechte einzelner Abgeordneter eingesetzt“ habe, „auch gegen den Widerspruch der Fraktionsapparate“. Man kann die Meinung des evangelischen Peter Gauweiler, der einerseits beständig für Wladimir Putin wirbt, andererseits gerne mit einem Marienbild am Revers auftaucht, auch volkstümlicher haben: Er brauche, sagte Gauweiler, „einfach die Freiheit, nicht jeden Krampf und Schmarrn mittun“ zu müssen. Was zu beweisen war.