Dieter Hundt macht Platz für einen Neuanfang beim VfB Stuttgart: Der Chef des Aufsichtsrats hat die Konsequenzen daraus gezogen, dass er im Verein isoliert gewesen ist und ist mit sofortiger Wirkung von seinem Amt zurückgetreten.

Stuttgart - Das Ende der alten Ära wird um 17.42 Uhr in einer dürren Pressemitteilung verkündet. Absender ist der VfB Stuttgart, der auf diesem Weg verkündet, dass der seit 2002 als Aufsichtsratschef amtierende Dieter Hundt (74) mit sofortiger Wirkung seinen Posten aufgeben wird. Der Arbeitgeberpräsident verabschiedet sich in der Mail mit ein paar Dankesworten von allen Mitarbeitern des Vereins. Damit ist das eingetreten, was sich seit mehreren Wochen abgezeichnet hat. Dieter Hundt macht Platz und den Weg frei für einen Neuanfang des Clubs.

 

Am Vormittag deutet darauf allerdings noch wenig hin. Die Dame im Sekretariat der Allgaier-Werke in Uhingen ist freundlich, aber bestimmt. Dieter Hundt gebe in dieser Woche keine Stellungnahme zur Entwicklung beim VfB ab, erklärt sie. Das sei das Ergebnis eines Telefonats mit ihrem Chef, der den Automobilzulieferbetrieb als Gesellschafter führt. Ende der Durchsage.

Hundt wollte da noch nicht sprechen, obwohl es seit längerer Zeit viel Redebedarf gibt. Denn am Sonntag war er vom Ehrenrat des Vereins in aller Deutlichkeit zum sofortigen Rücktritt vom Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden aufgefordert worden – was wohl kein schönes Kapitel in seiner Biografie wird, die Hundt gerade verfassen lässt. Denn das Ende beim VfB ist bitter. Der Arbeitgeberpräsident geriet immer mehr in die Defensive. Er stand mit dem Rücken zur Wand – und musste sich schließlich seinen vielen Kritikern beugen.

Zumal immer mehr pikante Details aus der eine Woche zurückliegenden Sitzung des Aufsichtsrats bekannt wurden, als Hundt bereits von einigen Kollegen zur Aufgabe gedrängt worden war – damals im Gegensatz zur Ehrenratsoffensive noch hinter verschlossener Tür. Das Motiv war, dass der mächtige Funktionär in den Augen aller VfB-Verantwortlichen einen Neuaufbau des Clubs blockierte, der einen Präsidenten sucht. So tat sich der VfB ungemein schwer, einen geeigneten Bewerber zu finden, der die Gremien überzeugt und mit einem guten Gefühl der Mitgliederversammlung am 22. Juli vorgeschlagen werden könnte. Denn als Mann von Hundt hätte jeder befürchten müssen, durchzufallen – auch der Bietigheimer Oberbürgermeister Jürgen Kessing, der nach StZ-Informationen auf der Liste der eingeschalteten Personalberatung an erster Stelle steht.

Hundt flog nach Mexiko

Diese verfahrene Situation war Gegenstand der Sitzung am 11. Juni. Aber die Kritik an ihm ließ Hundt da noch kalt. Nach StZ-Informationen soll er nur erwidert haben, dass er sich erstens sowieso nicht unter Druck setzen lasse. Zweitens würde er jetzt ohnehin erst einmal für längere Zeit verreisen und sich dann Anfang Juli wieder melden. Das war’s. Nicht wenige Sitzungsteilnehmer dürften sich angesichts dessen ziemlich brüskiert gefühlt haben.

Hundt flog nach Mexiko, wo seine Allgaier-Werke zwei Tochtergesellschaften und ein Produktionswerk betreiben. Für den VfB war er nicht greifbar – bis er sich gestern meldete und aus dem Land der Azteken seinen Abgang verkünden. Dennoch ist jetzt die Zeit bis zur Mitgliederversammlung knapp. Wer auch immer als Präsident in spe antreten wird – außer vielleicht der Ex-Präsident Erwin Staudt – benötigt eine Vorlaufphase, um im Verein und um den Verein herum für sich werben zu können. Viele Fans sind nach den Turbulenzen an der Clubspitze kritisch gegenüber allem, was von oben kommt.

Nachdem die Präsidentenfindungskommission vor einer Woche aufgelöst worden war, hatte der Hundt-Stellvertreter Joachim Schmidt die Planungen für den 22. Juli in die Hand genommen. Das Thema war heikel. So wollte Schmidt kurz vor der Entscheidung von Hundt nicht darauf eingehen, wann dieser überhaupt von seiner Geschäftsreise aus Mexiko zurückkehren wird. Der Daimler-Manager teilte nur mit: „Ich bitte Sie, Fragen zur Terminplanung von Herrn Dr. Hundt an dessen Büro zu richten.“ In Uhingen sagte die Sekretärin dazu aber auch nichts.

Zu hören war dafür, dass auch Schmidt sehr unglücklich darüber gewesen ist, wie die Dinge beim VfB gelaufen sind. In seinem Sinne war das nicht. Demnach erhielt Hundt auch von Schmidt keine Rückendeckung, wie auch von den beiden Vorstandsmitgliedern Ulrich Ruf und Fredi Bobic nicht – und von dem VfB-Hauptsponsor auch nicht. Die Mercedes-Benz-Bank schrieb auf Anfrage, dass „wir uns zu VfB-internen Angelegenheiten nicht äußern“.

Noch Fragen? Hundt lieferte die finale Antwort in Mexiko. Jetzt zeichnet sich deutlich ab, dass Schmidt der starke Mann im Club und der Nachfolger von Hundt als Aufsichtsratschef wird. Er hätte sich sogar vorstellen können, im Notfall als Präsident einzuspringen – wenn sich kein qualifizierter Bewerber herauskristallisiert hätte. Aber das ist offensichtlich kein Thema mehr, weil ihn der Daimler-Boss Dieter Zetsche aus seinem laufenden Vertrag nicht ziehen lassen möchte. „Nun gilt es, in der gesamten VfB-Familie geschlossen zusammenzurücken, um die Herausforderungen, vor denen wir stehen, zu meistern“, sagt Schmidt. Mit diesem Satz beginnt beim VfB eine neue Ära.