Der ehemalige VW-Patriarch Ferdinand Piëch will seine Macht beim Autobauer VW abgeben. Deshalb steht jetzt die Eigentümerfamilie Porsche/Piëch in der Verantwortung, kommentiert Michael Heller.

Stuttgart - Die letzte Runde ist eingeläutet: Ferdinand Piëch will bei Volkswagen aussteigen. Was vor knapp zwei Jahren noch ein Gerücht war, dem nur wenige Glauben schenken mochten, wird sich nun wohl bewahrheiten: Der demnächst 80-Jährige wirft hin und zerstört das, was sein Lebenstraum gewesen ist. Damit nimmt ein in der deutschen Wirtschaftsgeschichte beispielloses Drama eine neue Wendung. Denn so etwas hatte es noch nicht gegeben: Das von den Nazis gegründete Staatsunternehmen VW gehört mittlerweile einer Familie, die VW stets als „ihr“ Unternehmen betrachtet hatte. Ferdinand Porsche hat einst für VW den Käfer entwickelt, sein Schwiegersohn Anton Piëch war der erste Werkleiter in Wolfsburg und dessen Sohn Ferdinand Vorstands- und später Aufsichtsratschef. Die Übernahme der Mehrheit durch die Porsche Automobil Holding der Familie Porsche/Piëch im Jahr 2009 war nichts anderes als Ferdinand Piëchs Triumph.

 

Der jetzige Eklat ist im Grunde genommen schon damals angelegt gewesen. Denn es gab zwar den unbedingten Machtwillen Piëchs, aber keinen Konsens in der Großfamilie, wie mit dem an Eigenheiten reichen Konzern in Wolfsburg umzugehen ist. Immer wieder musste der allzu forsche Piëch, der auch meinte, seinen treuen Paladin Martin Winterkorn vor zwei Jahren wie eine heiße Kartoffel fallen lassen zu können, gebremst werden. Es folgte Piëchs Rücktritt als Aufsichtsratschef, der sich nun als der Anfang vom Ende herausstellt.

Die Familie hat sich vorbereitet

Die Familie hat sich bereits in der Vergangenheit auf solch einen Fall vorbereitet und entsprechende Verträge verfasst. Ferdinand Piëch kann nicht an irgendjemanden verkaufen, der ihm das meiste Geld bietet, er muss die Anteile seinen Verwandten „andienen“, wie es die Juristen nennen. Dabei geht es alles in allem um einen Anteil von 15 Prozent an der Porsche Automobil Holding. Die Familie wird gewiss mit allen Mitteln versuchen, das dafür notwendige Geld aufzutreiben. In der Vergangenheit ist das schon einmal gelungen. 2013 konnte der 10-Prozent-Anteil zurückgekauft werden, den die Porsches und Piëchs ein paar Jahre vorher in einer Notlage an das Emirat Katar abgegeben hatten.

Sollte der Coup gelingen, dann ist aber noch nicht alles zum Besten bestellt. Bisher hat die Reizfigur Ferdinand Piëch verhindert, dass sich die Familie grundsätzlich mit ihrem Investment auseinandersetzt. Sie hat zwar die Mehrheit in Wolfsburg, kann dort aber ganz gewiss nicht nach Belieben agieren. Da gibt es einen Betriebsrat, der eine andernorts unvorstellbare Machtfülle hat, und da gibt es mit dem Land Niedersachsen einen Minderheitsgesellschafter, der auch eigene Interessen verfolgt.

Die Verantwortung muss auf mehr Schultern verteilt werden

Ein Mehrheitsaktionär, der darauf verzichtet, seine Macht auszuüben, statt die Richtung vorzugeben, wäre in dieser Gemengelage eine schwer erträgliche Vorstellung. Die Porsches und Piëchs, die überwiegend in Österreich leben und sich in früheren Jahren nur für ihr Autohandelshaus in Salzburg (Piëch) und den Sportwagenbauer in Stuttgart (Porsche) interessiert haben, stehen vor einer großen Herausforderung. Sie müssen endlich entscheiden, ob sie die unternehmerische Verantwortung für das übernehmen wollen, was ihnen vor Jahren durch die Aktienmehrheit zugefallen ist: Volkswagen mit seinen 627 000 Mitarbeitern.

Fällt die Antwort positiv aus, müsste die Familie diese Verantwortung auf sehr viel mehr Schultern verteilen als bisher – und endlich auch den Wechsel zur Urenkel-Generation Ferdinand Porsches vollziehen; aus diesem Kreis ist bisher nur Ferdinand Oliver Porsche ins Zentrum der Macht vorgedrungen. Es zeichnet sich also ab, dass der Wechsel ansteht. Sollte sich die Familie jedoch der Verantwortung entziehen, stellt sich zwangsläufig die Frage nach der künftigen Mehrheit bei Volkswagen.