Der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern EADS hat über eine Fusion mit der britischen BAE die einmalige Chance, sich aus dem politischen Klammergriff zu befreien. Entschieden ist allerdings noch nichts.

Amsterdam/London - Der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern EADS und der britische Rüstungskonzern British Aerospace (BAE) verhandeln über eine Fusion zur globalen Nummer eins der Branche. Die Gespräche sind bereits in einem weit fortgeschrittenem Stadium, wie aus Mitteilungen beider Partner vom Mittwoch hervorgeht. Allerdings hat die Politik das letzte Wort. Es bestehe keine Gewissheit, dass die Gespräche letztlich zu einer Transaktion führten, stellte die vom Deutschen Tom Enders geführte EADS klar.

 

Käme es aber zur Fusion beider Schwergewichte, könnte sich damit die paritätisch von Frankreich und Deutschland kontrollierte EADS endlich aus ihrem politischen Klammergriff befreien. Denn in diesen Fall würde der fragile Pakt zwischen beiden Ländern durch eine Art Sperraktie abgelöst. Die soll Regierungen die Möglichkeit geben, vor allem mit Blick auf sensible Rüstungstechnologie eine feindliche Übernahme zu verhindern. Die Zeit staatlicher Einflussnahme auf die eigentlichen Geschäfte wäre damit aber endgültig vorbei und die EADS ein normaler Konzern.

„Es würde perfekt passen“

Auch wirtschaftlich wäre die Großfusion reizvoll. Über die BAE bekäme die bislang von zivilen Märkten getragene EADS Zugriff auf wesentliche Teile des weltgrößten Rüstungsmarkts USA – ein Ziel, das die Europäer schon länger mit überschaubarem Erfolg verfolgen. Die BAE ist der weltweit drittgrößte Rüstungskonzern und wird derzeit nur noch von den US-Riesen Lockheed-Martin sowie Boeing übertroffen. Zusammen mit den Rüstungsaktivitäten der EADS, die dort etwa ein Viertel der Umsätze von insgesamt 49 Milliarden Euro ausmachen, würde man beide US-Konzerne überflügeln. „Es würde perfekt passen“, heißt es in Kreisen der Partner in spe. Ein größerer Stellenabbau wäre kaum zu befürchten. Echte Überschneidungen gäbe es nur in der Verwaltung. Die EADS beschäftigt 133 000 Mitarbeiter, BAE zählt 88 000 Beschäftigte.

Das größte Risiko für ein Scheitern der Fusion steckt fraglos im Rüstungsbereich und den politischen Anteilseignern der EADS. Der französische Staat hält direkt 15 Prozent an der EADS und hat bislang immer argwöhnisch über seinen Einfluss gewacht. Auf der deutschen Seite hat Daimler den maßgeblichen Einfluss, der Konzern will aber schon seit längerer Zeit aussteigen. Käme die Transaktion zustande, würde den EADS-Aktionären 60 Prozent am gemeinsamen Unternehmen zufallen, den BAE-Eignern die restlichen 40 Prozent. Durchgerechnet würde der französische Staatsanteil so auf neun Prozent sinken. Einer Fusion müsse in jedem Fall der EADS-Verwaltungsrat zustimmen, stellt der Konzern klar. In dem Verwaltungsrat könnte Frankreich alles blockieren.

Zeit für zweiten Versuch ist reif

Schon vor zehn Jahren hatte es einen gescheiterten Anlauf zur Fusion der Konzerne gegeben. Für einen zweiten Versuch ist die Zeit nun reif, weil die EADS bei den Versuchen, ihr Rüstungsgeschäft zu einer zweiten Säule neben den zivilen Aktivitäten um den europäischen Flugzeugbauer Airbus auszubauen, kaum vorankommt und BAE unter dem Kürzen von Wehretats vor allem in Europa leidet. Zusammen könnte man besser auf die Herausforderungen reagieren und außereuropäische, noch wachsende Rüstungsmärkte erobern.

Wie die Börse das Kräfteverhältnis zwischen EADS und BAE beurteilt, zeigt ein Blick auf die Aktienkurse. Während die BAE-Papiere stark gestiegen sind, gab die EADS-Aktie ebenso spürbar nach. Börsianer sehen damit die Briten als den eigentlichen Gewinner einer Fusion.

Bis zum 10. Oktober haben sich beide Partner nun Zeit gegeben, ihre Fusion endgültig auf die Beine zu stellen oder sie abzublasen. Eine Verlängerung dieser Frist ist möglich. In den Verhandlungskreisen herrscht einiger Optimismus, die Politik von der Firmenehe überzeugen zu können. Dazu müsste aber vor allem Frankreich über seinen Schatten springen.