Die Bundesregierung drosselt zwar die Ausfuhr von Kleinwaffen, der Verkauf von Munition dafür wird aber zahlreich genehmigt. Die Opposition ist erbost über Exporte in Länder wie Saudi-Arabien.

Berlin - Fünf der zehn wichtigsten Zielländer deutscher Rüstungsexporte im ersten Halbjahr 2016 liegen in Spannungsregionen. Die Türkei rückte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum in die Top-Ten dieser Staaten vor - von Platz 25 im ersten Halbjahr 2015 auf Platz 8. Außerdem sind unter den ersten zehn Waffenkäufern Algerien, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Südkorea. Das geht aus dem der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegenden Rüstungsexportbericht für die ersten sechs Monate 2016 hervor, der am Mittwoch im Kabinett beraten werden soll.

 

Die Opposition kritisierte insbesondere Ausfuhren in Länder wie Saudi-Arabien. „Diese Bundesregierung schreibt ihre verheerende Bilanz der Verantwortungslosigkeit fort und genehmigt enthemmt Waffen in alle Welt“, teilte die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Agnieszka Brugger, mit.

Hubschrauber und Flugzeuge für Saudi-Arabien

Die Regierung erteilte dem Bericht zufolge in den ersten sechs Monaten des Jahres Genehmigungen für die Ausfuhr von Waffen und Ausrüstung im Wert von 4,029 Milliarden Euro - mehr als eine halbe Milliarde mehr als im Vorjahreszeitraum. Ein Viertel davon ist auf eine Fregatte für Algerien zurückzuführen. Damit liegt das nordafrikanische Land auf Platz eins der Liste der Bestimmungsländer. Der Bericht fällt unter die Zuständigkeit von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD).

Zu erkennen sind im Vergleich der Entwicklung eines Jahres die Verschiebungen in der Länder-Liste. So rückte die Türkei seit Beginn der Flüchtlingskrise vor gut einem Jahr in den ersten sechs Monaten 2016 mit einem Volumen von 76,4 Millionen Euro von Platz 25 auf Rang 8 der Empfängerländer. Fast zwei Drittel der Lieferungen betreffen Teile für Flugzeuge, unbemannte Luftfahrzeuge und Triebwerke.

Saudi-Arabien, das der Bundesregierung als Stabilitätsanker in einer unruhigen Region gilt, bleibt in der Liste auf Platz drei. Der Wert der genehmigten Lieferungen stieg aber von 179 Millionen auf etwa 484 Millionen Euro. Deutschland liefert in das umstrittene Königreich unter anderem Hubschrauber, Flugzeuge und deren Teile sowie Ausrüstung für Luftbetankung. Eine von Saudi-Arabien geführte Koalition bombardiert seit März 2015 im Jemen Stellungen schiitischer Rebellen.

Heftige Kritik von den Grünen

Die Grünen-Politikerin Brugger kritisierte: Statt die Geschäfte zu stoppen, „schraubt die Bundesregierung die Lieferungen an das kriegführende und menschenverachtende Regime Saudi-Arabiens ohne jedes Verantwortungsgefühl wieder hoch“.

In dem Bericht steht: „Ein erheblicher Anteil des Genehmigungswertes für Drittländer entfällt zudem auf die Ausfuhrgenehmigung für die Lieferung von in europäischer Industriekooperation hergestellten zivilen Mehrzweckhubschraubern mit militärischen Ausstattungsmerkmalen nach Saudi-Arabien.“ Diese seien unter anderem für Grenzschutzaufgaben sowie Rettungseinsätze und den Katastrophenschutz vorgesehen. Dies führe dazu, dass Saudi-Arabien zu den drei Empfängerländern mit den höchsten Genehmigungswerten zähle.

Aus dem Bericht geht ferner hervor, dass die Regierung die Ausfuhr von Kleinwaffen im ersten Halbjahr zwar leicht zurückfuhr, doch verzehnfachten sich zugleich die Exporte von Munition für diese Waffen. In Gabriels Amtszeit gingen die Kleinwaffenexporte stark zurück. Die Regierung ist bei Lieferungen in problematische Länder außerhalb von EU und Nato, in denen die Menschenrechtslage heikel ist, sensibler geworden. Der Linkspartei-Experte Jan van Aken forderte ein komplettes Exportverbot für Kleinwaffen.

Ausfuhr von Kleinwaffenmunition verzehnfacht

Der Wert der Genehmigungen für Kleinwaffen sank dem Bericht zufolge in den ersten sechs Monaten 2016 binnen Jahresfrist von 12,4 Millionen auf 11,6 Millionen Euro. Der Wert der Genehmigungen für Munition für Kleinwaffen kletterte hingegen von 27 Millionen auf 283,8 Millionen Euro. Auf EU- und Nato-Länder (inklusive Nato-gleichgestellten Ländern wie Australien, Neuseeland, Japan, Schweiz) entfielen davon 275 Millionen Euro, auf den Irak 5,4 Millionen Euro.

Munition für Kleinwaffen umfasst den Angaben zufolge solche für Maschinenpistolen und -gewehre, nicht für Pistolen und Revolver. Mit ihnen werden in Bürgerkriegen wie in Syrien die meisten Zivilisten getötet. Die wichtigsten drei Bestimmungsländer für Kleinwaffen einschließlich Teilen und Munition waren Frankreich, der Irak und Polen. Deutschland unterstützt im Irak die Kurden im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat.