Die EU-Kommission hat mehr durch Zufall ein gutes Druckmittel gegen Rumäniens Regierung in der Hand. Sie verweist auf den Schengenraum und den freien Reiseverkehr, an dem Bukarest viel liegt.

Brüssel - Victor Ponta, Rumäniens 39 Jahre junger Ministerpräsident, besucht Brüssel mit zwei Botschaften im Gepäck. Die erste Ansage klingt kraftvoll und selbstsicher. „Ich bin hier, um unseren Freunden und Partnern in Europa zu versichern, dass Rumänien ein europäisches, demokratisches Land ist und bleibt“, sagt der Mitte Mai zum Premier gewählte Sozialist. „Ein Land, das seinen internen Streit nach verfassungsgemäßen und demokratischen Regeln austragen wird“, so Ponta. Die zweite Botschaft aber kommt demütig daher. „Wenn die EU-Kommission Änderungen anmahnt“, so Ponta vor seinem Treffen mit José Manuel Barroso, „werde ich mich dafür einsetzen.“

 

Es ist ein Einlenken, da in Barrosos Behörde auch am Donnerstag sehr wohl eine andere Politik in Bukarest angemahnt wird. Den Ton gab vor Wochenfrist eine öffentliche Erklärung vor. Man sei „besorgt über die jüngsten Entwicklungen in Rumänien“. Ins Detail ging es dann am Mittwoch zwischen EU-Justizkommissarin Viviane Reding und dem rumänischen Fachminister Titus Corlatean. Der soll darauf verwiesen haben, formaljuristisch „alles richtig gemacht“ zu haben, worauf Reding einer Diplomatin zufolge antwortete, man müsse „das Gesamtbild anschauen“.

„Das Verfassungsgericht kann nichts mehr machen“

Das stellt sich der EU-Kommission als abgekartetes Spiel dar: Nach der Absetzung von Präsident Traian Basescu wird dem Verfassungsgericht per Notverordnung untersagt, den entsprechenden Parlamentsbeschluss zu prüfen. Damit beauftragen kann es nur ein Ombudsmann, der aber gefeuert wurde. „Das Verfassungsgericht kann nichts mehr machen“, sagt eine Kommissionsmitarbeiterin. Entsprechend streng äußerte sich Reding: „Ohne verlässliche Zusicherungen und konkrete Handlungen der rumänischen Regierung hinsichtlich der Wiederherstellung von Rechtsstaatlichkeit könnte das Land bei der Integration in die EU Jahre verlieren.“

Hinter der Aussage steckt der Kooperations- und Überprüfungsmechanismus – das Instrument, mit dem der meiste Druck ausgeübt wird. Da es beim EU-Beitritt Rumäniens 2007 noch Vorbehalte im Justizbereich gab, wies man Brüssel im Beitrittsvertrag eine zusätzliche Aufpasserrolle zu. Zufall ist es, dass nächste Woche der Bericht dazu ins Haus steht. So wie Reding wird auch Barroso seinem Gegenüber klargemacht haben, dass ein negatives Urteil „Munition“ für jene wäre, die Rumänien dauerhaft aus dem Schengenraum des freien Reiseverkehrs heraushalten wollen. Auch die Sonderbewachung könne verlängert werden müssen.

Freier Reiseverkehr als Druckmittel gegen Bukarest

Das ist ein starker Hebel, weshalb andere, weniger elegante Instrumente vielleicht gar nicht zum Einsatz kommen müssen. Barrosos Sprecherin Pia Ahrenkilde-Hansen jedenfalls erinnert den Besucher Ponta daran, dass auch ein teures Vertragsverletzungsverfahrens, wie es gegen die ebenfalls autokratisch auftretende Regierung Ungarns angewandt wurde, nicht vom Tisch ist. Auf das eigentliche Rechtsinstrument für solche Fälle verwies der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok, der in Rumänien einen „Staatsstreich“ sieht: Es ist Artikel 7, wonach mindestens vier Fünftel der Mitgliedstaaten eine drohende oder tatsächliche Verletzung der gemeinschaftlichen Werte feststellen können. Das kann bis zum Stimmverlust im Ministerrat führen.

Die Rüge eines Parteifreundes

Davor aber schreckt das politische Brüssel zurück – so bei Ungarn und jetzt bei Rumänien. Der Grund dafür ist auch parteipolitischer Natur. Sozialdemokraten werfen Christdemokraten im Europaparlament vor, sich schützend vor ihr Mitglied Basescu zu stellen, dessen Tochter Elena zudem Europaabgeordnete ist und „im Maybach durch Brüssel kutschiert wird“, wie manche Genossen lästern. Der Parlamentspräsident Martin Schulz, ein SPD-Mann, stellt klar, dass er Ponta als „Freund“ empfange, aber mit Notverordnungen keine Politik gemacht werden könne. Und so hat neben Barrosos Drohungen die Rüge des Parteifreunds Ponta auch zum Umdenken bewogen. Der hat angekündigt, das Parlament solle – zusammen mit dem Referendum zu Basescu – die Entscheidungen nachträglich legitimieren.