Der Boykott der neuen Rundfunkgebühren durch die Stadt Köln und die Kritik der Kommunen hat die Öffentlich-Rechtlichen alarmiert. Der Deutsche Städtebund rechnet mit einer Gesetzesänderung „noch dieses Jahr“.
Bürokratischer Irrsinn – diese zwei Worte hat dieser Tage eine Sprecherin der Stadt Köln zum Synonym der neuen Rundfunkgebühr gemacht. In der Tat müssen sich die Kommunen zurzeit durch ein undurchschaubares Dickicht schlagen. Muss für den Friedhofsbagger eine Abgabe gezahlt werden oder nicht? Für die Teermaschine? Für die verschiedenen Standesämter? Die Stadt Köln hatte vor diesen Fragen zunächst kapituliert und wollte erst einmal gar nichts zahlen. Nun zahlt sie doch – aber zunächst so viel wie im Jahr 2012 und nicht nach dem neuen System.
Die Drogeriemarktkette Rossmann hat bereits im vergangenen Jahr beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof Klage eingereicht. Durch die neue Regelung muss die Kette 200 000 Euro statt bisher 40 000 Euro pro Jahr zahlen. Die Höhe des Betrags richtet sich nun nach der Zahl der Betriebsstätten, der Beschäftigten und der betrieblich genutzten Fahrzeuge. Unternehmen mit vielen Filialen müssen deutlich tiefer als andere in die Tasche greifen. Auch Städte und Firmen, die nicht mit einem Boykott drohen oder Klage einreichen, stöhnen zunehmend über die Kostensteigerungen: In Stuttgart beispielsweise ist die Rede von 150 000 Euro statt 67 000 pro Jahr (siehe auch untenstehender Artikel), in Düsseldorf sind es 150 000 Euro nach zuvor 25 000.
„Viele Städte gehen von falschen Hochrechnungen aus“
Noch am Mittwoch schloss der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) deshalb einen breiten GEZ-Boykott der Städte nicht aus. Während die Diskussionen über die neue Rundfunkgebühr nicht abreißen wollen, möchten die daran Beteiligten inzwischen aber so manches Missverständnis ausräumen. „Viele Städte gehen offenbar von falschen Hochrechnungen und Sachverhalten aus. Ein Beispiel: anders als behauptet, wird für einen Friedhofsbagger natürlich kein Rundfunkbeitrag fällig. Unsere Mitarbeiter stehen den Kommunen und allen Bürgern mit Rat und Tat zur Seite, um Fehlerquellen zu identifizieren. Das wird in vielen Fällen zu einer Begradigung der Berechnungen führen“, sagte der SWR-Intendant Peter Boudgoust.
Dass das Thema hohe Wellen schlägt, dafür hat er Verständnis: „Das ist eine grundlegende Reform von historischem Ausmaß. Die bedeutet für Städte und Gemeinden bei der Umstellung einen erhöhten Verwaltungsaufwand. Danach wird der neue Rundfunkbeitrag aber auch für Kommunen einfacher und gerechter als die überkommene gerätebezogene Gebühr.“ Den Vorwurf, die Sender sackten noch mehr Geld ein, kann Boudgoust nicht nachvollziehen: „Wir gehen davon aus, dass unsere Einnahmen maximal stabil bleiben. Und sollte es wider Erwarten mehr Einnahmen geben, dann wird die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs dies mit dem Rundfunkbeitrag verrechnen, damit er wie schon seit Jahren stabil bleibt.“
Dem Städtebund geht es nicht um Stimmungsmache
Vom Vorwurf, den man den Spitzenverbänden machen könnte – nämlich sich nicht schon kritisch gemeldet zu haben, als das Gesetz auf den Weg gebracht wurde – will dagegen der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, nichts hören. Er wirft im Gegenzug der Politik vor, sie habe es versäumt, das ganze Prozedere vorher einmal im Modell durchzuspielen.
Im Gespräch mit der StZ betont Landsberg, dass es von seiner Seite aus nicht um Stimmungsmache gehe: „Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hält die geräteunabhängige Beitragsbemessung für Rundfunk- und Fernsehgebühren generell für richtig. Aber um eine überproportionale Belastung der Städte- und Gemeinden zu vermeiden, muss hier nachgebessert und eine praktikable Lösung für alle Städte und Gemeinden gefunden werden.“
Der Vorschlag: die Kernverwaltung gilt als eine Betriebsstätte
Je dezentraler und bürgernäher eine Stadtverwaltung organisiert ist, desto drastischer ist der Kostenanstieg beim neuen Beitrag. Natürlich könne man ihn boykottieren oder dagegen klagen – nur sei das keine Lösung. „Wir brauchen eine politische Lösung“, sagt Landsberg. Er weiß auch, in welche Richtung diese gehen soll. Sein Vorschlag sieht vor, dass eine Kommune mit ihrer Kernverwaltung als eine einzige Betriebsstätte gilt. Die Kernverwaltung umfasst die wichtigsten administrativen Bereiche der Stadt: Standesamt, Einwohnermeldeamt und die Dezernate. „Das werden wir prüfen lassen“, sagt Landsberg, der seine Interessen von denen der Wirtschaft trennt: „Wenn Sie in einen Drogeriemarkt gehen, hören Sie Musik“, erklärt Landsberg, „in einem Ordnungsamt hören Sie nichts. Insofern haben wir eine Sonderstellung verdient.“
In zwei Jahren soll das Gesetz auf den Prüfstand. Ob dieser Zeitrahmen zu halten sein wird? „So steht es im Staatsvertrag, den 16 Länder verabschiedet haben. Damit kein Missverständnis entsteht: Wir nehmen die Befürchtungen der Kommunen ernst, sehen unsere Aufgaben jetzt aber in erster Linie darin, Sachverhaltsklärung zu betreiben“, erläutert Boudgoust, „sollte es darüber hinaus Webfehler geben, dann liegt es auch in unserem Interesse, diese zu beseitigen. Genau deshalb ist es gut, dass die Überprüfung schon eingebaut ist. Ehrlich gesagt würde man sich diese nachlaufende Kontrolle auch bei anderen Gesetzen manchmal wünschen.“
„Da kommt jetzt Bewegung rein“
Inzwischen sei man mit den Senderchefs, aber auch mit dem SPD-Politiker Kurt Beck in seiner Funktion als Vorsitzender der Rundfunkkommission der Länder in guten Gesprächen. „Da kommt jetzt Bewegung rein“, sagt dagegen Landsberg. Er ist zuversichtlich, dass der Druck inzwischen ausreicht, um rasch zu einer größeren Pauschalisierung der Beiträge zu kommen und nicht erst in zwei Jahren, wenn die neue Regelung eigentlich auf den Prüfstand soll. Landsberg zeigt sich am Ende ganz optimistisch und rechnet mit einer Änderung des Gesetzes „noch in diesem Jahr“.