Der Rundfunkbeitrag ist ein umstrittenes Thema. Nicht-Zahler hatten vor Gericht zumeist das nachsehen. Das könnte sich jetzt ändern: Denn ein Richter des Landgerichts Tübingen glaubt nicht, dass die Gebühren mit EU-Recht vereinbar sind. Jetzt muss der Europäische Gerichtshof entscheiden.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Stuttgart/Luxemburg - Wolfgang Georgii wird gerne mal giftig, wenn er überzeugt ist, im Recht zu sein. Das sagt er auch ganz unverblümt. Der 83-Jährige beweist das seit über 20 Jahren als CDU-Mitglied im Bezirksbeirat Vaihingen. Und auch der Südwestrundfunk (SWR) erlebt das immerhin seit fünf Jahren: So lange verweigert Georgii, die TV-Gebühren zu bezahlen. In seiner Wohnung in Stuttgart-Rohr, die nie einen Fernseher gesehen hat, in der sich dafür aber umso mehr Zeitungen stapeln, holt er einen Ordner hervor, wo er den gesamten Briefwechsel seines Streits mit der Rundfunkanstalt dokumentiert hat. Die letzte Mail liest er genussvoll vor: „Wir bitten Sie aus zeitlichen Gründen, von weiteren Schreiben an uns abzusehen.“ Jetzt hofft Wolfgang Georgii, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) Rechtsklarheit schafft. Denn er ist nicht der einzige, der an der Rechtmäßigkeit von Rundfunkgebühren zweifelt.

 

So denkt nämlich auch ein Richter am Landgericht Tübingen. Ein Rechtsstreit zwischen einer Frau, die wie Georgii den Rundfunkbeitrag nicht bezahlen will und dem SWR, könnte jetzt einen Präzedenzfall mit weitreichenden Folgen schaffen: Der Richter am Landgericht hatte offenbar seine Zweifel, dass Rundfunkgebühren mit geltendem EU-Recht in Einklang zu bringen sind – und die Frage an den Europäischen Gerichtshof nach Luxemburg weitergeleitet. Da liegt sie nun.

Wie die Anfrage zu bewerten ist, darüber gehen Juristenmeinungen deutlich auseinander. Klar scheint nur zu sein: Sollte der EuGH befinden, dass Rundfunkgebühren nicht mit dem EU-Recht zu vereinbaren sei, könnte das weitreichende Konsequenzen haben. „Es wäre denkbar, dass sich der öffentliche Rundfunk dann nach ganz neuen Finanzierungsmethoden umgucken muss“, sagt ein Sprecher des Landgerichts Tübingen.

Beim SWR sieht man die Sache indes gelassen. „Die Bedenken des Einzelrichters werden weder in der Verwaltungs-, noch in der Zivilrechtsprechung geteilt“ sagt SWR-Justiziar Hermann Eicher. Das Bundesverwaltungsgericht habe die Rechtmäßigkeit des Rundfunkbeitrags bereits höchstrichterlich festgestellt und auch seine Konformität mit dem europäischen Recht bejaht. Außerdem sei die Rechtmäßigkeit der Vollstreckung der Rundfunkbeiträge durch den SWR bereits mehrfach durch den Bundesgerichtshof bestätigt worden.

Fernsehen sei „Teufelszeug“

Im Online-Forum GEZ-Boykott beurteilen die Nutzer die Lage naturgemäß anders. Dort zeigt sich auch, dass man als Gebührenverweigerer mitnichten alleine ist: Das Forum zählt fast 15 000 Mitglieder, die sich vor allem über juristische Themen austauschen. Ihre gemeinsame Motivation: Nicht zu bezahlen, was sie nicht in Anspruch nehmen.

Wolfgang Georgii aus Stuttgart rechnet in seiner fernsehfreien Wohnung vor: „Es sind 150 Euro im Jahr, die ich spare, weil ich die Rundfunkgebühr nicht bezahle.“ Er nimmt dem SWR-Justiziar nicht ab, dass sich die Rundfunkanstalt juristisch auf allzu sicheren Beinen sieht. „Sonst hätte man ja versucht, mich gerichtlich zu belangen. Ich glaube, dass der SWR das EuGH-Urteil abwarten will“, sagt Georgii.

Bis dieses gesprochen ist, kann noch einige Zeit verstreichen. Die höchste richterliche Instanz in Europa ist nicht für Schnellschüsse bekannt. Das Landgericht Tübingen rechnet mit mehreren Monaten, wenn nicht mit Jahren.

Unabhängig davon wird Georgii wohl nicht von seiner Meinung abrücken. „Fernsehen ist Teufelszeug“, sagt er, die Flimmerkiste habe Suchtpotenzial und sei gesundheitsschädlich. Darum beschäftigt Georgii sich neben seinen Zeitungen aktuell vor allem mit seinem Internet. „Da kann ich mir wenigstens aussuchen, welche Informationen ich konsumiere.“