Zum letzten Mal „Loch Lomond“ schmettern: Runrig feiern in der Schleyerhalle in Stuttgart mit 9000 Fans ein bewegendes Abschiedskonzert.

Stuttgart - Wenn eine Band nach fünfundvierzig Bühnenjahren auf die Zielgerade einbiegt, geht es per se schon mal etwas feierlicher zu. Hat die Truppe zudem so viel Leidenschaft im Blut wie Runrig, muss der Fan sorgsam disponieren: Ob ein Päckchen Taschentücher wohl ausreicht gegen das Meer an Tränen, wenn der letzte Vorgang fällt? Gegen 23 Uhr ist es dann soweit – Gänsehautatmosphäre in der Schleyerhalle. Neuntausend Kehlen schmettern ein letztes Mal „Loch Lomond“ und die sechs Runrig-Recken auf der Bühne sind mindestens so schwer angefasst wie ihre Fans (die „Riggies“) im Saal.

 

Drei Stunden zuvor: Bruce Guthro versucht noch tapfer, die Wehmut zu vertreiben. „Heute ist kein Abend um traurig zu sein“, sagt der Runrig-Frontmann, „lasst uns tanzen und feiern“. Aber vergebens: Die Gefühle fahren Achterbahn an diesem Abend, dieser Abschied scheint für immer. Dass die Haudegen der Gründergeneration – Perkussionist Calum Macdonald, sein gitarrespielender und singender Bruder Rory, Schlagzeuger Iain Bayne und der zweite Saitenmann Malcolm Jones – je auf die Bühne zurückkehren werden, ist tatsächlich wenig wahrscheinlich.

Runrig hat die gälische Folkmusik unter Strom gesetzt

Was man am meisten vermissen wird? Musikalisch betrachtet die elegante Gitarre von Malcolm Jones, einem stillen Meister seines Fachs, der die Saiten ähnlich virtuos krault und dehnt wie Mark Knopfler oder David Gilmour. Und auch als Chronisten eines vom Aussterben bedrohten Lebensgefühls werden Runrig fehlen. Wenn der Fang mal wieder mies war draußen auf dem Atlantik, wenn die Mannschaft des Herzens ein großes Spiel verloren hat – dann kamen Schottlands Männer und Frauen in den Pubs zusammen, um die Seele von der Leine zu lassen. Die Musik dazu lieferte ab 1973 die Run Rig Dance Band, wie sich die Formation seinerzeit noch nannte.

Wie dynamisch Runrig die gälische Folkmusik seither unter Strom gesetzt haben, zeigen sie auch in der Schleyerhalle mit großen Beats, jubilierenden Riffs und einem Hitfeuerwerk von „Protect and Survive“ über „The Stamping Ground“ bis „Alba“. Eine Band, die diese Erbe antreten würde, ist weit und breit nicht in Sicht. Das Pathos, das in diesem Sound mitschwingt: Es ist der Herzschlag Schottlands, der auch die Schleyerhalle beben lässt. Ein letztes Mal also „Loch Lomond“, ein emotionales Farewell zwischen Band und Publikum, und dann: rauschender Applaus für ein prächtiges Konzert und für ein respektables Lebenswerk.