Der Schauspieler Rupert Everett hat nicht nur gute Erfahrungen mit dem Kino gemacht. Im Gespräch verrät er, wie er um seinen Oscar-Wilde-Film „The Happy Prince“ gekämpft hat. Und ob es ein Fehler war, sich stets zu seinem Schwulsein zu bekennen.

Stuttgart - Es ist ein wenig still geworden um Rupert Everett. Die Zeiten, in denen er an der Seite seiner damaligen Busenfreundin Madonna in „Ein Freund zum Verlieben“ die Hauptrolle spielte, sind vorbei. Doch jetzt meldet er sich mit einem wahr gewordenen Traum zurück: Im Kinoneustart „The Happy Prince“, seinem ersten Film als Regisseur und Drehbuchautor, spielt Everett sein Idol Oscar Wilde.

 
Mr. Everett, schon vor zehn Jahren haben Sie von Ihrem Traum erzählt, einen Film über Oscar Wilde zu drehen, Haben Sie stets daran geglaubt, dass „The Happy Prince“ Wirklichkeit wird?
Wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht, ob ich mir in all der Zeit wirklich sicher war, dass diese Idee umgesetzt werden könnte. Ein bisschen fühlte ich mich wie Don Quixote. Immer dachte ich, auf der anderen Seite des Berges liege der Schlüssel zum Erfolg, aber wenn ich dort ankam, war da nichts. Trotzdem konnte ich nicht aufgeben. Jedes Mal, wenn ich kurz davor war, passierte etwas, das mich wieder hoffen ließ.
Was passierte denn zum Beispiel?
Am Anfang sah es eigentlich richtig gut aus. Ich schrieb das Drehbuch und schickte es an Scott Rudin, ohne Frage einer der besten Produzenten der Welt. Er rief am nächsten Tag an, um mir zu erzählen, wie begeistert er sei. Für mich einer der glücklichsten Momente überhaupt! Einen Tag später war er wieder am Telefon: Er wollte lieber Philip Seymour Hoffman und nicht mich als Oscar Wilde sehen. Innerhalb von zwei Tagen also war ich erst im siebten Himmel – und wurde dann von meinem eigenen Film gefeuert. So ähnlich ging es immer weiter. Heutzutage das Geld für Independent-Produktionen aufzutreiben, ist echt eine Qual. Man muss unglaublich penetrant sein, um das zu schaffen.
Warum haben Sie sich das denn angetan?
Aus Verzweiflung, könnte man wohl sagen. Ich wurde immer älter und meine Schauspielkarriere löste sich zusehends in ihre Bestandteile auf. Aufgeben kam also tatsächlich nicht in Frage. Und am Ende war es den langen Kampf wert.
Dass Sie drehen konnten, lag nicht zuletzt an Geld aus Deutschland, nicht wahr?
Oh ja, der Film ist im Grunde eine deutsche Produktion. Erst nachdem die Deutschen an Bord waren, stieß auch die BBC dazu. Es war eine Herausforderung, ausgerechnet in Bayern einen Film über Oscar Wilde zu drehen. Vor allem, weil wir weder das Geld für aufwändige Studiobauten hatten noch im reichen, sanierten München passende Gebäude mietbar waren. Aber dann stießen wir in Franken auf tolle alte Burgen und Schlösser, aus denen sich viel machen ließ.
Ihre Mutter hat Ihnen Wildes Märchen „Der glückliche Prinz“ vorgelesen, als sie ein Kind waren. Wussten Sie damals schon, wer Oscar Wilde war?
Natürlich nicht. Meine Mutter im Übrigen auch nicht wirklich. Hätte sie gewusst, dass Wilde im Gefängnis gesessen hat, weil er schwul war, hätte sie mir sicherlich nichts von ihm vorgelesen. Aber sowohl sie als auch ich waren damals sehr berührt von seinen Worten.
Sie erwähnten vorhin Ihre sich auflösende Karriere. Wie geht man damit um, wenn es plötzlich nicht mehr so läuft?
Es ist natürlich fürchterlich! Selbstverständlich ist man kein bisschen darauf vorbereitet. Wenn man im Leben etwas Erfolg erreicht, denkt man immer, dass sich daran nichts ändern wird. Man kann sich nicht vorstellen, dass die guten Zeiten mal zu Ende gehen. Im Rückblick war ich wirklich nicht vorsichtig genug, keine Frage.
Wie meinen Sie das?
Ich war zu entspannt, was den Erfolg anging. Wenn man im Showgeschäft eine Karriere haben will, darf man nie zu entspannt sein. Das Showgeschäft ist ein Fluss, der immer wieder von einem weg fließen kann.
Wie geht man damit um, wenn man nicht im Dschungelcamp landen will?
Eigentlich ist so eine Situation eine tolle Chance. Die Chance zu sterben, ohne wirklich zu sterben. Es gibt ja nur zwei Möglichkeiten, wie man sich verhalten kann. Man kann der Gleiche bleiben und sich immer noch so benehmen, wie man es auf der Höhe des Erfolgs getan hat, auch wenn alle anderen einen nicht mehr wie einen Star behandeln. Oder man akzeptiert das neue Ich – und lässt das alte sterben. Leicht ist das natürlich nicht. Eben noch hingen dir alle an den Lippen und haben über jeden deiner Witze gelacht, jetzt laufen alle davon, wenn du nur den Mund aufmachst. Das macht einen wütend und kann unglaublich deprimierend sein. Allerdings ist es mir schon so oft passiert, dass ich mittlerweile Profi im Umgang mit nachlassendem Erfolg bin.
Haben Sie je daran gedacht, einfach die Schauspielerei an den Nagel zu hängen?
Ich habe mir mehr als einmal gesagt: Bei der nächsten Durststrecke versuche ich nicht, mich ins Rampenlicht zurück zu kämpfen. Aber wenn es soweit ist, vergesse ich das prompt und tue wieder alles dafür.
Glauben Sie, dass es für Sie schwieriger war als für andere, weil Sie nie ein Geheimnis um Ihre Homosexualität gemacht haben?
Viele der Höhen und Tiefen, die ich durchgemacht haben, hatten auch damit zu tun, nicht nur mit der Tatsache, dass ich keine männliche Meryl Streep und nicht der beste Schauspieler der Welt bin. Doch genau wie Oscar Wilde habe ich nie Lust darauf gehabt, mich zum Opfer zu stilisieren.
Ist es für schwule Schauspieler heute ein wenig leichter als zu Beginn Ihrer Karriere?
Einerseits ja. Es gibt offen schwule Schauspieler, die sich in Hollywood als Actionstar versuchen dürfen. Aber die Vorbehalte sind nicht verschwunden. Hollywood liebt es, wenn Heterosexuelle Schwule spielen, doch mit der umgekehrten Situation tut man sich nach wie vor schwer. Wir sollten uns nichts vormachen: Wer nicht hetero, weiß und männlich ist, ist in unserer Branche erst einmal im Nachteil.