Exklusiv Hat die EnBW in einem Schiedsverfahren Prozessbetrug begangen? Die Staatsanwaltschaft verneint das und hat das Verfahren eingestellt. Doch die einstigen russischen Geschäftspartner wollen per Beschwerde weitere Ermittlungen erzwingen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart / Mannheim - Bei der juristischen Aufarbeitung ihrer Russland-Geschäfte hat die EnBW nach mehreren Niederlagen einen Teilerfolg erzielt. Die Staatsanwaltschaft Mannheim verneinte jetzt den Verdacht, dass die EnBW in einem Schiedsgerichtsverfahren mit einer Firma des Moskauer Lobbyisten Andrey Bykov versuchten Prozessbetrug begangen habe. Entsprechende Ermittlungen gegen sechs Verantwortliche der EnBW, die im Sommer 2013 aufgrund einer Strafanzeige der einstigen Bykov-Firma Eurepa Suisse in Gang gekommen waren, wurden nach einem Jahr mangels Tatverdachts eingestellt. Laut einem Sprecher der Staatsanwaltschaft konnte „den Beschuldigten nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, dass sie in dem Schiedsgerichtsverfahren vorsätzlich getäuscht haben“.

 

Hintergrund der Ermittlungen war das einzige von vier Schiedsverfahren, das die EnBW gegen Firmen der Bykov-Gruppe gewonnen hatte. Von den etwa 120 Millionen Euro, um die gestritten wurde, musste sie 95 Millionen Euro verloren geben; nur ein Schiedsgericht in Stockholm sprach dem Karlsruher Konzern 24,5 Millionen Euro zu. Auf dieses Geld wartet die EnBW bis heute, in der Schweiz wird juristisch um die Vollstreckung gerungen.

Echt oder gefälscht – Streit um ein Dokument

Gegenstand der Strafanzeige war ein Dokument, das die Unterschriften zweier Ex-Manager der EnBW-Kernkraftgesellschaft EnKK tragen soll. Die umstrittenen Vorauszahlungen für Uran-Lieferungen konnten danach auch mit einer Beteiligung der EnBW an einem Kernkraftwerk in Kaliningrad oder an Gasfeldern in Sibirien verrechnet werden; beide Projekte wurden diskutiert, kamen jedoch nicht zustande. Die Ex-Manager wollen das Papier jedoch nicht unterschrieben haben, weshalb die EnBW von einer Fälschung sprach. Bykov argumentierte hingegen, die Echtheit des Papiers sei zweifelsfrei erwiesen; er warf der EnBW „versuchte Irreführung“ vor.

Durch die Einstellung der Ermittlungen kann sich die EnBW in ihrer Position bestätigt sehen, die Vorwürfe seien „unberechtigt“. In der Strafanzeige hatte der Energiekonzern einen weiteren Schachzug im Millionenpoker mit Bykov gesehen. „Sie kann als strafrechtliches Werkzeug gesehen werden, mit dem Eurepa versucht, zivilrechtliche Ansprüche durchzusetzen“, hatte das Unternehmen mitgeteilt. Für den Ausgang des Stockholmer Schiedsverfahrens habe das Dokument keine Rolle gespielt.

Beschwerde beim Generalstaatsanwalt eingelegt

Die einstige Bykov-Firma Eurepa will die Einstellung der Ermittlungen hingegen nicht akzeptieren. Sie habe dagegen Beschwerde eingelegt, über die nun die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe entscheiden müsse, sagte der Sprecher der Wirtschaftsabteilung der Staatsanwaltschaft. Der Rechtsanwalt von Eurepa, Peter Frey aus Gerlingen, bestätigte dies gegenüber der Stuttgarter Zeitung. Man erwarte auf die Beschwerde hin „eine Fortsetzung des Ermittlungsverfahrens, damit endlich einmal Licht in die Russlandgeschäfte der EnBW kommt“.

Frey übte deutliche Kritik am Einstellungsbeschluss der Ermittler. Die Staatsanwaltschaft habe sich ausführlich mit der Frage beschäftigt, inwieweit die für das Schiedsverfahren zuständigen EnBW-Mitarbeiter gewusst und gewollt hätten, dass dort wahrheitswidrig der Fälschungsvorwurf erhoben wurde. Dafür habe sie keine ausreichenden Anhaltspunkte gefunden. Zwischen dem EnBW-Vortrag in Stockholm und der Argumentation in Zivilverfahren vor deutschen Gerichten gebe es aber so erhebliche Widersprüche, dass es „schwer vorstellbar“ sei, die Vorwürfe seien „einfach mal so“ erhoben worden.

Weiter Ermittlungen um Russland-Geschäfte

Laut dem Eurepa-Anwalt zeigen die Zivilklagen der EnBW gegen eigene Manager – auch jenes gegen den amtierenden Technik-Vorstand Hans-Josef Zimmer –, dass man sehr wohl um die Fragwürdigkeit der erhobenen Ansprüche gewusst habe. Zimmer, von dem die EnBW mehr als 80 Millionen Euro Schadenersatz fordert, beschuldige seinen eigenen Arbeitgeber, unwahre Angaben zu machen. Umgekehrt argumentiere die EnBW, dass der umstrittene Anspruch nicht mehr bestanden habe und der beklagte Manager hierfür die Verantwortung trage. Die Zivilverfahren gegen Zimmer und einen Ex-Manager sind ausgesetzt bis zum Abschluss der Ermittlungen wegen der Russland-Geschäfte; dabei geht es um Untreue und Steuerhinterziehung. Ein Ende sei „weiterhin nicht absehbar“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft. Schadenersatz-Prozesse gegen zwei weitere Manager hatte die EnBW verloren.