Beim Perouser Dorffest lässt Erich Vincon die bewegte Geschichte des Waldenserortes aufleben.

Leonberg - Wenn in Perouse gefeiert wird, erinnert sogar der Wein an die Waldenser. Beim Dorffest der Vereine lassen sich die Gäste am Wochenende einen edlen Tropfen aus der Partnergemeinde Perosa Argentina schmecken.

 

Vor 300 Jahren hingegen waren die Menschen in Perouse schon für jeden Tropfen Wasser froh, geschweige denn, dass sie an Wein dachten. Denn Quellen gab es in der neuen Siedlung nicht. Aus Heimsheim mussten sich die Perouser das Wasser holen. Und das war so knapp bemessen, dass es pro Haushalt alle drei Tage nur einen Eimer gab.

Rettung dank Henria Arnaud

Dies ist nur eine kleine Episode aus der an Leid und Prüfungen reichen Geschichte der Waldenser, die Erich Vincon anlässlich des Dorffestes bei einem Rundgang durch den Ort erzählt. Der rührige Heimatforscher stammt selbst aus einer jenen Waldenserfamilien, die im 17. Jahrhundert in Württemberg ankamen und letztlich auf einem Landstrich zwischen Heimsheim, Flacht und Rutesheim eine Heimat fanden.

Am Rande des Dorfplatzes steht ein Brunnen, der gleichzeitig ein Denkmal ist: Es zeigt eine Büste Henri Arnauds, jenes Waldenserführers, der im 17. Jahrhundert viele seiner Glaubensbrüder vor Verfolgung und Tod bewahrte, indem er sie aus den Westalpen zuerst in die Schweiz führte. Unter anderem in Württemberg, Baden und Hessen erreichte er, dass die Flüchtlinge dort eine neue Heimstatt fanden.

Der französische König Ludwig XIV. hatte zuvor verfügt, dass Bürger seines Reiches den Glauben des Königs annehmen mussten, den katholischen. Wer sich weigerte, hatte zwei Monate Zeit zur Flucht.

Heimsheim lehnte die Waldenser ab

Ein Teil jener Waldenser, so berichtet Erich Vincon am Sonntag seinen Zuhörern, für die Arnaud beim württembergischen Herzog Eberhard Ludwig Asyl ausgehandelt hatte, sollten nach Heimsheim kommen. Die durch den Dreißigjährigen Krieg ausgeblutete Stadt konnte neue Einwohner gut gebrauchen. Von den einstmals 300 hatten nur 70 überlebt. Doch die lehnten die Fremden aus den fernen Bergen ab.

Nachdem 242 Menschen zunächst in Höhlen gelebt hatten, wies man ihnen einen Platz an der äußersten Gemarkungsgrenze von Heimsheim zu, wo sie 1699 Perouse gründeten, benannt nach ihrer alten Heimat Perosa Argentina im Piemont.

Scheunen als Bollwerk nach außen

Die Anfänge waren unvorstellbar schwer. „Die Menschen hatten keine Werkzeuge, es fehlten Fachkräfte“, berichtet Vincon. Die Waldenser waren das Leben in den Alpen gewohnt. Das Bestellen flacher Felder war ihnen fremd. Wohl auch die Hoffnung, irgendwann zurück zu können, ließ die Waldenser zunächst nur Hütten bauen.

Nach 20 Jahren verfügte die Obrigkeit in Leonberg den Bau fester Häuser. Die heutige Ortstruktur entstand. Selbst darin ist die ständige Angst vor Verfolgung zu erkennen: Scheunen wurden wehrmauerartig als Bollwerk nach außen gebaut.

Misstrauen und Ablehnung waren übrigens beidseitig. Die Waldenser blieben lange unter sich. Erst nach Jahrzehnten vermischten sich Einheimische und Neuankömmlinge. So gibt es waldensische Namen heute auch in Heimsheim oder Flacht.