Bei einer Podiumsdiskussion in der Festhalle zu Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht haben sich auch viele junge Menschen die Besonderheiten und drohenden Fallstricke aus erster Hand erläutern lassen.

Die Menschen werden immer älter, viele machen sich nicht zuletzt deshalb Gedanken darüber, wie sie ihren Lebensabend verbringen möchten – und wie eben nicht. Dabei rücken die Patientenverfügung und die Vorsorgevollmacht in den Fokus. Der Kreisseniorenrat Böblingen (KSR) und die Stadt Rutesheim haben jetzt zu einem Vortrags- und Diskussionsabend über diese Themen in die Festhalle eingeladen, an dem auch die Betreuungsvereine von DRK und Fish Leonberg mitgewirkt haben.

 

Auffällig war dabei vor allem eines: Der Großteil der Zuhörer, die die Festhalle zu drei Vierteln füllten, bestand nicht – wie man annehmen könnte – aus älteren Menschen, auch viele junge Menschen interessierte die Vorsorge im Betreuungs- oder medizinischen Ernstfall. So stellte der Böblinger Sozialdezernent Alfred Schmid eingangs die entscheidende Frage: „Wer hilft mir, wenn es so weit kommt?“ Und dieser Fall, dass der Mensch handlungs- und mitteilungsunfähig wird, kann jederzeit eintreten. Ob durch einen Unfall, einen Schlaganfall oder altersbedingt durch Altersdemenz. „Ein wichtiges Thema, mit dem man sich in jedem Alter auseinandersetzen sollte“, befand auch der Erste Rutesheimer Beigeordnete Martin Killinger in seinem Grußwort.

„Können wir unseren Willen nicht mehr selbst erklären, dann ist es wichtig, dass man rechtzeitig eine Vertrauensperson beauftragt hat, die sich um alle Angelegenheiten kümmert“, erläuterte Schmid. Andreas Kleiß, der Fachreferent in der Betreuungsbehörde des Landratsamtes Böblingen, machte deutlich, dass einer der häufigsten Irrtümer die Annahme sei, dass sich Ehepartner im Ernstfall automatisch gegenseitig betreuen dürften.

Doch ohne eine umfassende Vollmacht drohe auch bei Ehepartnern und bei volljährigen Kindern ein aufwendiges gesetzliches Betreuungsverfahren. „Eine Vollmacht bedeutet auch für die Angehörigen eine Entlastung“, so Kleiß. Voraussetzung sei allerdings hundertprozentiges Vertrauen in die bevollmächtigte Person, sagte Kleiß, „sonst raten wir davon ab.“

Die Vollmacht kann formlos erteilt werden. Jedoch empfahl die Bezirksnotarin Eva Walkenhorst die notarielle Beurkundung solcher Vollmachten – gerade in Vermögensangelegenheiten sei dies oftmals vonnöten. Sie verwies darauf, dass die notariellen Beurkundungskosten auf höchstens 403 Euro gedeckelt seien.

Bei einer gesetzlichen Betreuung wären die laufenden Kosten zunächst ähnlich hoch, doch dazu kämen noch jährliche Gebühren. „Die unterzeichnete und ausgehändigte Vollmacht gilt ab sofort“, machte die Notarin deutlich. Wichtig sei es, auch zu regeln, was im Betreuungsfall genau zu tun sei. „Da, wo es ans Eingemachte geht, bei Leben und Freiheit, da darf auch ein Bevollmächtigter nicht alleine ohne Zustimmung des Amtsgerichtes entscheiden“, beruhigte Walkenhorst im Hinblick auf einen Missbrauch des Vertrauensverhältnisses.

Der Mediziner Peter Blumhagen ging auf Unklarheiten in der Patientenverfügung ein. Häufigster Fehler sei eine zu allgemeine Formulierung, sagte er aus seiner täglichen Praxis in der Notaufnahme und Intensivstation. „Nur einfach zu schreiben: ,Ich will keine künstliche Beatmung’ reicht nicht“, erklärte der Oberarzt.

Oft lebe der Patient noch Jahrzehnte gut und glücklich nach einer lebenserhaltenden Maßnahme. Präzise Angaben seien wichtig, etwa: „Am Ende des Lebens bei chronischer nicht mehr heilbarer Erkrankung möchte ich keine künstliche Beatmung mehr“. Zur Konkretisierung der persönlichen Wünsche eigne sich bestens die vom KSR verfasste „Böblinger Patientenverfügung“. In dem gelben Formular können durch Ankreuzen unterschiedlich Stadien am Ende des Lebens und auszuschließende Maßnahmen ausgewählt werden. „Nach dem Inkrafttreten der gesetzlichen Verbindlichkeit einer Patientenverfügung im Jahr 2009 haben wir unser Formular runderneuert“, erklärte der KSR-Vorsitzende Manfred Koebler.

Stolz sei er, dass der Landkreis mit 2400 gesetzlichen Betreuungsverhältnissen bei bundesweit 1,3 Millionen Betreuungen der Kreis mit den wenigsten gesetzlichen bundesweit sei. Und dass das so bleibe, dafür wolle der KSR sorgen. Mit weiteren Abendveranstaltungen und einer Vorsorgemappe mit Musterformularen, die im Foyer der Festhalle verteilt wurde. „Damit Sie ihre Vorsätze gleich in die Tat umsetzen können“, sagte Sozialdezernent Schmid.