Der Fotoclub Leonberg präsentiert im Rathaus Variationen zum Thema „Sehnsucht“.

Rutesheim - Drei Fotokameras stehen auf ihrem Stativ in Warteposition – auf ein imaginäres Motiv gerichtet. Die Fotografin davor wartet konzentriert, als ob gleich Frau Nahles um die Ecke käme. „Warten aufs Motiv“ nennt Ingrid Schwenk ihr Bild, das im Rutesheimer Rathaus gezeigt wird. Hier stellt der Fotoclub Leonberg auf Einladung des Kulturforums Rutesheim Bilder zur „Sehnsucht“ aus.

 

Sehnsucht ist das Schlüsselmotiv der Romantik. In Joseph von Eichendorffs gleichnamigem Gedicht weckt ein klingendes Posthorn die Sehnsucht: „Ach, wer da mitreisen könnte...“ Und tatsächlich findet sich auf einem Bild der Ausstellung die blaue Blume der Romantik: tiefblaue Iris brechen mutig durch eine Schneedecke („Frühlingserwachen“ von Birgit Beye).

Charly Heisterborg, Künstler und Kulturforumsmitglied der ersten Stunde, definiert Fotografie in seiner Einführung als „Malerei mit Licht“, und Bürgermeisterin Susanne Widmaier freut sich über den guten Kontakt zwischen Rutesheim und Leonberg. Das Geschwister-Duo Marcel (Piano) und Madeleine Murschel (Gesang) bringt jazzige Stimmung ins Rathaus und variiert das Thema musikalisch: „got no roots!“

Als es noch Dias gab

Angefangen hat alles 1981, als elf Fotofreunde den Fotoclub Leonberg gegründet haben – in einer Zeit, als man noch mit dem Druck auf den Auslöser geizig war, wie Hans-Joachim Müller erzählt, weil es bares Geld in Form von Dias oder Filmen gekostet hat.

Inzwischen hat der Club 29 Mitglieder und ist nur noch digital unterwegs. Er veranstaltet Workshops, clubinterne Wettbewerbe, Ausstellungen und wählt jeweils ein Bild des Monats aus. Natürlich kommt auch das gesellige Zusammensein mit Stammtisch und Ausflügen nicht zu kurz.

„Das Herz mir im Leib entbrennte“, empfindet Eichendorff in seinem Gedicht – und was setzt die Herzen der Fotoclub-Mitglieder in Flammen?

Ein gemütlicher Tante-Emma-Laden („Gemütliche Zeiten“ von Hans-Joachim Müller), knallbunte verführerische Cup Cakes mit reichlich Buttercreme, fotografiert in Dublin („Süüüß“ von Carola Mielicke), Vorhängeschlösser („Ewige Liebe“ von Hans-Joachim Müller) oder eine Blaumeise auf einem verwitterten Grabstein („Der Besucher“ von Robert Schmiech).

Romantische Bilder

Natürlich fehlen auch klassische romantische Motive nicht, wie Schneewanderung, Schafherde oder Pfau. Auch ein Brautpaar ist dabei: Aus 200 Metern Entfernung hat Hans-Joachim Müller fotografiert, wie ein Brautpaar bei dichtem Schneetreiben über eine Brücke geht – der Bräutigam hat sogar, um ein schönes Motiv zu produzieren, seinen Mantel kurz ausgezogen: er hängt über dem Geländer („Die erste Prüfung“)! Bürgermeisterin Susanne Widmaier findet: „Sie wirken entschlossen, und gemeinsam werden sie noch manches Schneetreiben überstehen!“ Aber auch die Sehnsucht nach Freiheit ist Thema: Ein Leopard hinter Gittern mit einer Anspielung auf Rilkes Panther-Gedicht im Jardin des Plantes: „Hinter tausend Stäben...“ – keine Welt!

Aber Männerherzen schlagen natürlich auch für Autos: Das Cockpit eines Porsche, ästhetisch inszeniert (Rainer Künnemeyer), mit dem Titel „Völlig taktlos“ – als Kontrast zum Bild daneben, das die Vertaktung unseres Lebens thematisiert (“Im 10-Minuten-Takt“).

Ein Besucher, selber seit Jugendzeiten Fotograf, hebt die Vielfalt der Motive und das hohe Niveau der Fotos hervor. Mancher verspürt nach der Vernissage auch Sehnsucht – nach einem guten Mittagessen...