Ry X betört im Theaterhaus mit einer cleveren Mischung aus digitalakustischem Folk und Orchesterglanz.

Stuttgart - Als Ry Cuming alias Ry X im März 2016 in der Stadt gastierte, kamen rund zweihundert Besucher in den damals noch für sein kleines, aber feines Livemusikprogramm geschätzten Club Schocken. Zwei Jahre später lockte der australische Singer-Songwriter nun rund eintausend Fans zu seinem Konzert ins Theaterhaus – wäre das Ein-Mann-Unternehmen Cuming eine Aktiengesellschaft, die Börsianer müssten ihn mit dem Rating „strong buy“ adeln. Und hochgerechnet aufs Jahr 2020 könnte der Typ wohl in der Porsche-Arena auftreten.

 

Dass es so weit kommen wird, ist zwar eher unwahrscheinlich; für das ganz große Publikum sind Cumings Klangwelten vermutlich doch zu introspektiv und verwunschen. Andererseits: Wer seine Fangemeinde innerhalb von vierundzwanzig Monaten mal eben verfünffacht, der trifft fraglos einen sehr speziellen Ton – und den Zeitgeist gleich dazu. Mit Siebenachtelhose, Hipsterbart und ebensolcher Mütze sowie schlichtem, aber schickem Cape verkörpert Ry X im Theaterhaus eine Mischung aus Waldschrat deluxe, Seebär und urbanem Zausel, naturverbunden, sensitiv und digital kompetent zugleich. Dazu ein guter Schuss Warmherzigkeit und Frauenversteher-Charme, und dem Schlacks aus New South Wales fliegen förmlich die Herzen zu. Zumal sich Ry X auch auf eine wirkungsvolle Bühneninszenierung versteht. Stimmungsvoll erleuchtet im Theaterhaus ein gutes Dutzend Kerzenbouquets die Szene und pausenlos pustet die hauseigene Nebelmaschine künstliche Schwebstoffe in diese feinsinnig stilisierte Kulisse: Sinnbild für diesen Globetrotter 4.0, der sich bodenständig und uneitel gibt und doch sehr versiert mit Effekten umzugehen weiß.

Tick zu brav

Hübsch anzuschauen ist das aber allemal – und ebenso apart anzuhören. Die Tontechnik stellt einen luziden, gut durchhörbaren Livesound in den Saal, und aus dem einstigen Ein-Mann-Projekt Ry X wird in seiner Bühnenversion – ergänzt durch jeweils verschiedene örtliche Klassikformationen – ein vielköpfiges, klangfarbenprächtiges Ensemble. Im Theaterhaus sind es Mitglieder des Stuttgarter Kammerorchesters, die fernab geschmäcklerischer Pop-trifft-Klassik-Grenzgänge mal sanft zurückgenommene, mal expressive Töne von Violine, Viola, Cello und Kontrabass sowie Horn, großer Pauke und Metallophon beisteuern. Und das sich-Einmischen und Einbeziehen klappt vortrefflich, die Chemie zwischen diesem Septett und der aus zwei Keyboardern und einem Schlagzeuger bestehenden Tourband stimmt hörbar. Stimmlich konsequent im Falsett inszeniert und ab und an raffiniert rhythmisiert, entstehen so Klangwelten, die an den Kollegen Justin Vernon erinnern. Während Vernon mit seinem Projekt Bon Iver aber rigoros an Grenzen und teils darüber hinaus geht, Genres förmlich verflüssigt, bleibt Ry X auf der sicheren Seite.

Berechenbar melodisch und einen Tick zu brav zieht diese Mischung aus Laptop-Folk, Kammermusik und Digitalpop ihre Bahnen und integriert von „Only“ über „Berlin“ und „Howling“ bis zum aktuellen Hit „Bad Love“ die Highlights aus der Akte Ry X in ein kontemplatives, begeistert gefeiertes Programm. Das wirkt mit lediglich rund fünfundsiebzig Minuten etwas knapp gehalten, entpuppt sich aber als genau richtig dosiert: Mehr davon hätte auch nicht anders geklungen.