Als Schauspieler kommt Ryan Gosling meist gut an. In seiner neuen Rolle als Regisseur aber hat er schon viele Kritiker-Buhs abbekommen. Die sind nicht unbedingt gerechtfertigt: „Lost River“ hat zwar nicht die originellste Geschichte, aber dafür großartige Bilder zu bieten.

Stuttgart - Wie es sich denn anfühle, ein Sexsymbol zu sein? Nicht wirklich sexy, antwortete Ryan Gosling im vergangenen Jahr in einem Interview während des Filmfestivals von Cannes. Gosling, als Schauspieler unter anderem bekannt aus harten Streifen wie den Nicolas Winding Refn-Filmen „Drive“ (2011) und „Only God forgives“(2013), möchte offensichtlich mehr sein als nur der attraktive Mann vor der Kamera. Es zieht ihn hinter die Kamera, und in der Festivalkategorie „Un certain regard“ stellte er 2014 sein Regiedebüt „Lost River“ vor – das prompt ausgebuht wurde. Auch US-Branchenblätter wie „Variety“ oder „The Hollywood Reporter“ zeigten sich wenig angetan.

 

Dabei ist allein die Geschichte, die Gosling zumindest ansatzweise erzählt, ein gutes Argument, dem Film Beachtung zu schenken. Zunächst nah an den aktuellen Problemen amerikanischer Durchschnittsbürger, schildert „Lost River“ das Leben der Alleinerziehenden Billy (Christina Hendricks), die mit zwei Söhnen in einer von Wirtschafts- und Immobilienkrise gezeichneten Industriestadt lebt.

Reiz des Fantastischen

Während sich der kleine Franky (Landyn Stewart) vor irrealen Monstern fürchtet, muss sich sein großer Bruder Bones (Iain De Caestecker) vor dem brutalen Gangster Bully (Matt Smith) in Acht nehmen. In trostlos-realistischen Bildern zeigt der Kameramann Benoît Debie den Überlebenskampf in der Geisterstadt (für die das reale Detroit Bilder liefern musste).

Doch zunehmend setzt Gosling auf den Reiz des Fantastischen. Billy, die horrende Kreditzinsen zahlen muss, wird vom Bankberater dazu genötigt, ihre Schulden in einem mysteriösen Nachtclub abzuarbeiten, während Bones mit seiner Freundin Rat (Saoirse Ronan) in die Unterwasserwelt eines überfluteten Dorfes eintaucht.

Stilversessen und morbide

Man kann Gosling vorwerfen, sein Plot sei unausgegoren und unzusammenhängend. Doch „Lost River“ ist ohnehin mehr bildgewaltiges Experiment als konventionell erzählender Spielfilm. Nicht alles in dieser Geschichte ist logisch, will es aber auch gar nicht sein. Stattdessen inszeniert Gosling einen stilversessenen, morbiden, teilweise blutrünstigen Albdruck, bei dem sich manch einer an Werke von David Lynch („Lost Highway“) oder Nicolas Winding Refn erinnert fühlen mag.

Trotzdem kann sein Film für sich allein stehen, kann vor allem durch die herausragend schön fotografierten Bilder sowie durch die Atmosphäre allgegenwärtigen Horrors überzeugen. Auch, wenn das nicht jedem gefallen mag.

Lost River. USA 2014. Regie: Ryan Gosling. Mit Christina Hendricks, Saoirse Ronan, Iain De Caestecker, Ben Mendelsohn, Eva Mendes. 105 Minuten. Ab 16 Jahren.