Europas größter Billigflieger Ryanair droht den Streikenden mit deutlichen Stellenstreichungen. Sein Image steht auf dem Spiel.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

London - Wegen immer neuer Streikmaßnahmen seiner Mitarbeiter just zur Urlaubszeit dieses Sommers droht die irische Fluggesellschaft Ryanair den Streikenden mit gezieltem Stellenabbau und der Verlegung von Flughafenbasen. Die Billigfluggesellschaft warnt, dass sie in Ländern, in denen Streiks gegen Ryanair laufen, Flugverbindungen abbauen und Hunderte von Piloten und Flugbegleitern entlassen wird.

 

Weitere Ryanair-Streiks dürften bevorstehen

Allein in diesem Monat hat Ryanair wegen Arbeitskämpfen in Irland, Spanien, Portugal und Belgien schon Hunderte von Flügen absagen müssen. Nachdem zuletzt am Dienstag und Mittwoch zahlreiche Flüge ausfielen, sind für diesen Donnerstag erneut Arbeitskämpfe angesagt. Mehr als 100 000 Passagiere in von Ryanair angeflogenen Ländern waren und sind dabei offenbar von Ausfällen betroffen. Weitere Streiks in diesem Sommer stünden leider zu befürchten, hat das Unternehmen selbst erklärt. Gegenwärtig und noch bis Ende des Monats läuft auch beim deutschen Pilotenverband Cockpit eine Urabstimmung. Die Ryanair-Mitarbeiter, die seit Langem „menschlichere Arbeitsbedingungen“ verlangen, sehen sich freilich einer starken Opponentin gegenüber. Unter ihrem prominenten Boss Michael O’Leary – einem irischen Geschäftsmann, dem das Image als größter Clown der Luftfahrtbranche anhaftet – hat sich Ryanair zur erfolgreichsten Fluggesellschaft Europas entwickelt. Diese ist offenbar entschlossen, sich mit Billigpreisen und ihrer „No frills“-Politik („kein Schnickschnack“) diese Position zu bewahren. Allein im vergangenen Jahr ist die Zahl der Ryanair-Passagiere auf rund 130 Millionen gestiegen. Das war übers Jahr eine Zunahme um sieben Prozent. Die Einkünfte haben sich sogar um mehr als neun Prozent auf 2,1 Milliarden Euro erhöht – im gleichen Zeitraum.

Sinkende Profite und harte Arbeitsverhältnisse

Ryanair verfügt über mehr als 450 Maschinen. Diese sind auf 87 Flughäfen quer durch Europa stationiert. Allerdings sind die Profite des Billigfliegers im ersten Quartal 2018 ganz erheblich, nämlich um 20 Prozent gesunken. O´Leary macht dafür steil angestiegene Treibstoffkosten, eine aktuelle Überkapazität der Branche, sinkende Ticketpreise und eben auch die Arbeitskämpfe bei Ryanair – „trotz großzügiger Lohnerhöhungen“ – verantwortlich.

Dass die Löhne tatsächlich großzügig sind, bestreiten freilich viele Ryanair-Mitarbeiter, vor allem in Ländern wie Polen. Crew-Mitglieder klagen seit Langem über schlechte Bezahlung und harte Arbeitsbedingungen, über ihren Status als Agenturmitarbeiter und über Probleme wie mangelnden Schutz im Krankheitsfalle. Berichten der britischen Presse zufolge finden sich Stewards und Stewardessen auch unter besonderem Druck, wenn sie ihr Verkaufssoll an Bord nicht erfüllen – wenn sie etwa nicht genug „Rubbelkarten“ und Parfüm unter den Passagieren absetzen.

Fluglinie droht Basen zu verlegen

Für Ryanair sind diese und andere Beschwerden schlicht „unsinnig“ und alle Streiks „zwecklos“. Die Fluglinie müsse sich gegen gewisse Gewerkschaftsforderungen wehren, wenn sie an ihrem „Niedrigkosten-Modell“ festhalten wolle, heißt es bei Ryanair. Irlands Ryanair-Piloten, die an diesem Dienstag bereits den dritten 24-Stunden-Streik dieses Jahres abhielten, drohte Ryanair am Mittwoch mit einem Stellenabbau und der Verlegung von Ryanair-Basen an gefügigere Plätze auf dem Kontinent.

Sollten „Vorabbuchungen weiter Schaden leiden durch immer neue Streiks irischer Piloten“, erläuterte Ryanair seinen Mitarbeitern auf der Grünen Insel, dann werde man die Dublin-Flotte in diesem Winter ganz einfach um ein Fünftel verkleinern – und dafür die Flotte in Polen vergrößern. Wer in Irland von Entlassung bedroht sei, könne dann gerne einen Transfer nach Polen beantragen, um der Fluggesellschaft dort zur Verfügung zu stehen.

Begreiflicherweise stoßen solche Töne auf scharfe Reaktionen im Gewerkschaftslager. Die Internationale Transportarbeiter-Föderation (ITF) klagt darüber, dass es bei Verhandlungen mit Ryanair im vergangenen halben Jahr „überhaupt keinen Fortschritt“ gegeben habe, „obwohl Ryanair behauptet, mit Gewerkschaften in ganz Europa im Gespräch zu sein“. Dass sich das Unternehmen überhaupt auf Gespräche mit den Gewerkschaften einlässt, geht zurück auf eine überraschende Entscheidung von Michael O’Leary vom Dezember vergangenen Jahres, als der Ryanair-Chef plötzlich verkündete, er sei bereit zur Anerkennung von Gewerkschaften, um den ersten drohenden Pilotenstreik in der Geschichte von Ryanair noch abzuwenden.

Billigflieger wehrte sich Jahrzehnte gegen Gewerkschaften

32 Jahre lang hatte Ryanair seinen Mitarbeitern nicht erlaubt, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Lieber lasse er sich die Hand abschlagen, hatte O’Leary einmal gesagt. Und drei Tage bevor er seinen „radikalen Wandel“ einläutete, hatte er noch geschworen, er werde den Streikenden „die Stirn bieten“. Ihre Forderungen fand er „einfach lächerlich“. Selbstverschuldete Fehler bei der Personalplanung und ein akuter Pilotenmangel hatten seine Position im Laufe des vergangenen Jahres aber deutlich geschwächt. Tausende von Flügen mussten damals gestrichen werden, weil überforderte Piloten kollektiv auf ihrem Recht auf Freizeit bestanden. Wütende Passagiere saßen überall fest. Leider, klagt Gabriel Mocho Rodriguez, Zivilluftfahrts-Sprecher bei ITF, sei es dem Vorsitzenden O´Leary offenbar nicht wirklich ernst mit seiner neuen Verhandlungsbereitschaft – trotz der Erfahrungen des Vorjahrs und der erneuten Arbeitskämpfe. „Der Stil bei Ryanair hat sich nicht sonderlich geändert“, stellt er fest: „Statt sich auf einen ehrlichen und fruchtbaren Dialog einzulassen, suchen die den bestmöglichen Weg, um die Gewerkschaften zu erpressen.“ Ob diese Taktik erneut aufgehen wird, ist eine andere Frage. Denn Ryanair „als Marke“, erklärte jetzt der Werbefachmann Dan Gavshon Brady der Tageszeitung „Guardian“, fuße auf dem Ruf, „ein verlässlicher Lump“ zu sein: „Was die Streiks aber in Frage zu stellen drohen, ist eben diese Verlässlichkeit.“