Die Bahn muss sich nicht wundern, dass sie auch die Befürworter verärgert. Nicht zum ersten Mal muss sie ihre Prognosen korrigieren.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Stuttgart - Mit das wichtigste Gut in einer geschäftlichen Beziehung ist das Vertrauen der Partner unterein-ander. Mit ihrem nun abgelegten Eingeständnis, dass der Bahnhof bei Stuttgart 21 mit hoher Wahrscheinlichkeit erst mit großer Verspätung fertig wird, hat die Deutsche Bahn es endgültig geschafft, dieses Vertrauen zu verspielen. Das gilt natürlich zum einen im Hinblick auf die Projektpartner von Land, Region und Stadt. Es gilt aber auch im Verhältnis zur Bevölkerung in der Stadt und im Land, die der Bahn bei der Volksabstimmung im November 2011 einen enormen Vertrauensvorschuss gewährte, im festen Glauben daran, die Projektbetreiber würden ihre Zusagen bei Terminen und Kosten auch einlösen können. Dass es nun absehbar anders kommt, ist für die Vertrauenswürdigkeit der Bahn womöglich ein weitaus größerer Schaden als der Umstand, dass die Landeshauptstadt zwei Jahre länger auf ihren neuen Bahnhof warten und die Baustelle im Herzen der City ertragen muss.

 

Dem Eindruck, die Macher hätten ein Projekt von zugestandenermaßen überwältigenden Ausmaßen nicht im Griff, begegnen die dergestalt Kritisierten mit dem schon fast reflexartigen Hinweis auf von ihnen nicht zu beeinflussende Rahmenbedingungen. Mal sind es die verschärften Vorgaben beim Brandschutz, mal die Vielzahl an schützenswertem Getier, das sich längs der Baustellen tummelt, mal ist es der schleppende Fortgang des Genehmigungsprozederes. Gerade letzteres Argument könnte sich aber als Bumerang erweisen. Denn gibt nicht allein die Vielzahl der abgeschlossenen und noch laufenden Änderungsverfahren einen Hinweis auf die mangelnde Qualität der Ursprungsplanungen?

Terminplan ist längst aus den Fugen

Die Bahn hat sich lange Zeit gegen das Eingeständnis gewehrt, dass der Terminplan längst aus den Fugen geraten ist. Wer es trotzdem öffentlich machte, fand sich schnell vor Gericht wieder. Nun die Empörung in der Öffentlichkeit über die abermalige Verzögerung mit dem Hinweis abzutun, man habe ja schon früh auf mögliche Terminrisiken hingewiesen, beweist Chuzpe – um es höflich zu sagen. Die Öffentlichkeit, die kritische zumal – die wohlwollende aber nicht minder – wird für sich reklamieren, aufrichtiger informiert werden zu wollen. Und das mit vollem Recht. Da sticht auch die hinter vorgehaltener Hand von der Bahn geäußerte Befürchtung nicht, bei einem gestreckten Zeitplan könnten die Baufirmen den Druck aus dem Kessel nehmen. Die Bahn betreibt keinen vertrauensvollen Umgang mit der Öffentlichkeit.

Die politischen Gegenüber in der S-21-Geschäftsbeziehung können aber keinesfalls mit dem Finger ausschließlich auf die Bahn zeigen. Zuerst schenkten die politischen Granden den Beteuerungen der Bahn allzu gern Glauben. Fakten wurden nicht energisch genug eingefordert. Projektskeptiker wurden als dauernörgelnde Querulanten abgetan, wiewohl es sich gelohnt hätte, dem einen oder anderen auch einmal zuzuhören. Als sich Teile der S-21-Kritiker in der Landesregierung wiederfanden, wurde es nur zum Teil besser. Stell-vertretend sei die Farce um den Filderdialog genannt, der Verbesserungen an den Planungen hätte zu Tage fördern sollen und doch nur Verzögerung bedeutete. Das mehrheitlich gewünschte Ergebnis jedenfalls wird am Flughafen nicht gebaut.

Das Vorhaben steht nicht ernsthaft in Frage

Es ist nicht davon auszugehen, dass die Politik oder die Bahnchefs und -aufseher mit Blick auf den Baufortschritt in Stuttgart, wo ein Viertel der Tunnel gebaut ist, das Vorhaben in Frage stellen. Für die Projektbetreiber bedeutet das aber nicht, einfach so weitermachen zu können. Sie müssen zweierlei beweisen: dass sie es können, und dass sie in der Lage sind, das verloren gegangene Vertrauen zurückzugewinnen. Andernfalls ist mehr zerstört worden als nur die Seitenflügel des Bonatzbaus und Teile des Mittleren Schlossgartens.