Immer mehr Störungen, Zugausfälle, Verspätungen: Die Stuttgarter S-Bahn steckt in einer Krise. Deshalb treffen sich die Verantwortlichen am Mittwoch zu einem S-Bahn-Gipfel. Wir erklären, worum es dabei geht.

Stuttgart - Am Mittwoch rückt die in diesem Jahr verschärfte Misere der S-Bahn in den Mittelpunkt der Regionalpolitik. Im Rahmen einer Sitzung des Verkehrsausschusses der Regionalversammlung geht es ausschließlich um dieses Thema. Ob man auf dem sogenannten S-Bahn-Gipfel, den es in dieser Form zum ersten Mal gibt, Lösungen – zumal kurzfristig wirkende – findet, ist offen. Eine Standortbeschreibung vor der Sitzung.

 
Warum findet die Sondersitzung statt?

Beantragt haben die Sitzung die Fraktionen der SPD und der Grünen in der Regionalversammlung. Auslöser für die Anträge waren die zunehmenden Störfälle und Verzögerungen im S-Bahn-Verkehr im Juni und im Juli. Sie rührten daher, dass mehrmals die neuen S-Bahn-Wagen ET 430 wegen Problemen mit dem automatischen Trittbrett- und Türschließsystem liegen blieben und die Strecke blockierten. Sie werden seitdem nicht mehr eingesetzt.

Wer nimmt an der Sitzung teil?

Eingeladen sind Vertreter der Bahntöchter DB Regio, DB Netz und DB Station & Service, außerdem des ET-430-Herstellers Bombardier und des VVS. Geleitet wird die Sitzung, die um 15 Uhr im Sitzungsraum im fünften Stock der Kronenstraße 25 in Stuttgart stattfindet, vom Regionalpräsidenten Thomas Bopp (CDU). Außer ihm hat der Verkehrsausschuss 32 Mitglieder: CDU 10; SPD, Grüne, Freie Wähler (je 6); FDP (2); Linke und REP (beide 1). Alle Fraktionen fordern, dass die S-Bahn wieder pünktlicher verkehrt, die Kritik richtet sich vor allem an die Bahn und Bombardier. Sie müssten die Probleme rasch abstellen und Entschädigungen bezahlen, heißt es. Konkrete Beschlüsse gibt es noch nicht.

Welche Probleme gibt es bei der S-Bahn?

Die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der S-Bahn hätten sich trotz der Zusagen der Bahn AG nicht verbessert, heißt es bei der Region. So liegen die Pünktlichkeitswerte in diesem Jahr zumeist unterhalb der Werte von 2012. In den ersten acht Monaten 2013 fielen insgesamt 110 000 Zugkilometer aus (davon 52 900 Kilometer geplant aufgrund von Bauarbeiten), im Vorjahr waren es in diesem Zeitraum nur 78 000 Zugkilometer (35 700 geplant). „Wesentliche Ursachen für die weiterhin nicht verbesserte Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit waren häufigere Störungen in der Infrastruktur, die Störanfälligkeit der Türmechanismen beim ET 430, Baumaßnahmen in größerem Umfang zur Instandhaltung der Infrastruktur sowie Beeinträchtigungen durch Dritte“, heißt es in der Vorlage zu der Sitzung – mit Letzterem sind vor allem Zwischenfälle durch Selbstmörder gemeint. Die „signifikant verringerte Zufriedenheit der Fahrgäste“ werde noch dadurch beeinträchtigt, dass „die Fahrgastinformationen insbesondere bei größeren Störungen oftmals nicht, nicht richtig oder aus Sicht der Fahrgäste nicht umfassend genug erfolgte“, kritisiert der Verband Region Stuttgart. All diese Themen sollen auf der Sitzung erörtert werden.

Sind die Schwierigkeiten neu?

In dieser Ballung schon. Aber bereits in den Jahren 2010 (Rampenstörung) und 2012 (kaputte Weiche im Hauptbahnhof) gab es langfristige Störungen, die sich negativ auf den S-Bahn-Verkehr auswirkten. Hinzu kommen immer wieder Ausfälle in der Technik – von Kabel- bis Signalstörungen. Kritiker meinen, dass die Bahn auch wegen Stuttgart 21 zu wenig in die bestehende Infrastruktur investiert. Die Bahn weist diesen Vorwurf zurück und verweist auf ein millionenschweres Sanierungsprogramm.

Was sind die grundsätzlichen Probleme im S-Bahn-Verkehr der Region?

Das auf Stuttgart zentrierte S-Bahnnetz führt dazu, dass alle Linien den Innenstadttunnel passieren müssen. Im mehr als 30-jährigen Bestehen der S-Bahn sind aber die Zahl der Fahrgäste (heute sind es täglich 360 000 Menschen) und die Zahl der Züge stark gestiegen. Das führt im Innenstadttunnel dazu, dass in den Hauptverkehrszeiten alle zweieinhalb Minuten eine S-Bahn fährt. Kommt es dann zu Störungen, wirkt sich dies auf alle Linien aus. Dabei spielen schon die Ein- und Aussteigzeiten im Hauptbahnhof eine wichtige Rolle. Vor allem im Berufsverkehr dauert dies zu lang, so dass es zu sich aufbauenden Verspätungen kommt. Mit Sorge beobachten Kritiker auch die Stuttgart-21-Umbauarbeiten im Hauptbahnhof, die wegen längerer Wege und wegfallender Zugänge das Umsteigen erschwerten.

Gibt es Überlegungen zur Abhilfe?

Zuletzt hat der Verband in der S 40 von Marbach nach Backnang und der S 60 von Böblingen nach Renningen zwei Tangentiallinien geschaffen, die für Entlastung sorgen sollen, allerdings – so Kritiker – das System eher noch komplexer gemacht haben. Weitere Tangentiallinien, etwa über die Schuster- oder die Gäubahn, und Direktverbindungen sind möglich, sie würden den Innenstadttunnel entlasten. Außerdem könnten das Zugsicherungssystem und die Signaltechnik auf der Stammstrecke modernisiert werden, so dass dort mehr Züge in kürzeren Abständen fahren können. Mehr Personal und technische Hilfe könnten auch die Ein- und Ausstiegszeiten am Hauptbahnhof verkürzen.

Wie ist der Stand bei den ET 430?

Die neuen S-Bahn-Züge werden gerade wieder erprobt. Dabei wird getestet, ob die Wagen auch ohne die Türschließ- und Trittbrettautomatik fahren können. Bis diese wieder eingesetzt werden kann, werden nach früheren Angaben mehrere Monate vergehen. Klarheit darüber erhofft man sich auch von der Sitzung am Mittwoch.

Wie ist der S-Bahn-Verkehr organisiert?

Der Verband Region Stuttgart ist der Aufgabenträger für die S-Bahn, das heißt er bestellt und bezahlt die Verkehre. Mit der DB Regio gibt es bis zum Jahr 2028 einen Vertrag über die Abwicklung des S-Bahn-Verkehrs in der Region. Die S-Bahn ist wie die anderen öffentlichen Nahverkehre (Nebenbahnen, Stadtbahn und Busse) Teil des Verkehrs- und Tarifverbunds Stuttgart VVS. Dort werden die Fahrpreise beschlossen und regionalweit Werbung für den öffentlichen Nahverkehr gemacht. Kritiker werfen dem Verband vor, zu nachsichtig gegenüber der Bahn aufzutreten. Sie fordern, die Rolle der Aufgabenträger gegenüber den Verkehrsunternehmen, vor allem gegenüber der Bahn, zu stärken. Deshalb sollen Strafzahlungen für nicht erbrachte Leistungen oder Regressansprüche der Fahrgäste leichter durchgesetzt und erhöht werden können. Außerdem werden mehr Transparenz und klarere Verantwortlichkeiten gefordert. Darüber gibt es einen Streit zwischen dem Verband Region Stuttgart und den Landkreisen.