Ein Student schläft nach einer Party an der S-Bahn-Haltestelle ein. Sein Handy steckt in der Hosentasche. Eine Stunde später gibt es ein böses Erwachen. Solche Fälle begegnen der Bundespolizei immer wieder.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Die Halloweennacht hat für Yannick Pohl (Name geändert) ein Ende mit Schrecken gehabt. Ein Dieb hatte ihm an der Haltestelle Stadtmitte das Handy aus der Hosentasche gezogen, als er auf dem nächtlichen Nachhauseweg beim Warten auf die S-Bahn eingeschlafen war. Die Geschichte nahm dann aber doch noch ein gutes Ende: Zivilfahnder der Bundespolizei konnten den Dieb fassen, am nächsten Morgen hatte der 24-jährige Student aus Karlsruhe sein Telefon wieder.

 

Der Fall ist aus Sicht der Bundespolizei typisch für die Langfinger, die versuchen, am Rande der Partyszene Beute zu machen: „Schlafende Menschen sind natürlich einfache Opfer“, sagt Daniel Kroh, der Sprecher der Bundespolizei. Man lege bereits seit mehreren Jahren ein Augenmerk auf Taschen- und Trickdiebe im Bereich der S-Bahnen. „Das hat auch etwas gebracht“, sagt Kroh. Die Zahlen seien zurückgegangen. 2015 registrierte die Bundespolizei im Bereich des Verkehrsverbunds Stuttgart (VVS) 656 Fälle, 2015 verzeichnete sie einen Rückgang auf 459 Fälle. Aktuell seien im Jahr 2017 bisher 395 Fälle aufgenommen worden. Davon konnten die Ermittler 67 aufklären und 52 Täter fassen. „Das ist eine Aufklärungsquote von 17 Prozent, das kann sich sehen lassen“, so Kroh.

Student vermisst nach dem Nickerchen sein Handy

Doch nach wie vor nutzen Taschendiebe im Party-Heimreiseverkehr aus, dass mancher Fahrgast zu viel getrunken hat. „Bei mir waren es etwa drei Bier, zwei, drei Kurze und ein Gin Tonic. Aber ich hatte nichts gegessen, fühlte mich müde und wollte zurück zur Wohnung meines Kumpels, bei dem ich übernachtete“, berichtet der Student. Daher verließ er die Gruppe, mit der er in mehreren Bars am Hans-im-Glück-Brunnen gefeiert hatte. Er ging zur Haltestelle. „Da bin ich eingenickt, etwa eine halbe oder dreiviertel Stunde lang hab ich wohl geschlafen.“ In dieser Zeit schlug der Dieb zu. Yannick Pohl wachte auf, fuhr mit einem Taxi zur Wohnung von Freunden im Osten der Stadt. „Die hatten sich Sorgen gemacht, weil ich ja vor ihnen losgegangen war. Sie erzählten, sie hätten auf mein Handy angerufen, aber da sei nicht ich rangegangen, sondern ein freundlicher Herr.“

Bis dahin hatte der 24-Jährige gedacht, er habe sein Handy verloren. Es stellte sich dann aber heraus, dass der freundliche Herr, der ans Handy ging, ein Beamter der Bundespolizei war, genauer ein Fahnder in Zivil, der mit einem Kollegen auf Streife war. Die Polizisten bestellten den Studenten ins Bundespolizeirevier ein – wo er eine gewisse Heiterkeit erzeugte: „Ich hatte noch das Halloweenkostüm an. Meine Schwester hatte mich mit einem Profi-Maskenbildnerset richtig gut als Zombie geschminkt.“ Er sollte zunächst berichten, wie sich die Nacht und der Verlust seines Handys aus seiner Sicht abgespielt hätten, dann schilderten sie ihre Perspektive. Vorher musste der Student noch einen Alkoholtest machen, der einen Wert von 1,3 Promille ergab. „Ich hatte am Abend davor nichts gegessen, das war das Problem“, sagt er über den Wert, der ihm „schon peinlich sei“, zumal er nicht oft Alkohol trinke.

Zivilfahnder beobachten die Szene

Die Beamten hatten das Geschehen an der Haltestelle beobachtet. Der junge Mann war eingenickt, und eine verdächtige Gestalt sei ihm dann auf die Pelle gerückt. Als der Fremde in die Bahn einstieg, schlugen die Fahnder zu und fassten den mutmaßlichen Handydieb. Er kam in Untersuchungshaft.

„Ich bin der Polizei unglaublich dankbar für ihre gute Arbeit“, sagt der Student. „Man merkt erst, wie wichtig das ist, wenn man mal selbst betroffen ist“, fügt er hinzu. Das Zivilfahnderduo habe bei ihm einen höchst sympathischen Eindruck hinterlassen. „Die waren wie so ein Ermittlerteam aus dem ‚Tatort‘“, beschreibt er die Beamten. „Und total nett und freundlich zu mir. Auch ein bisschen Besorgnis habe ich ihnen angesehen, als es um die Tat ging.“ Die sei auch angebracht, denn das Erlebnis sei für ihn höchst unangenehm gewesen: „Es ist kein gutes Gefühl, wenn man weiß, dass einem jemand so nah kam und anfasste, ohne dass man es gemerkt hat“, schildert Yannick Pohl. Der Dieb müsse ihm schon sehr nahe auf die Pelle gerückt sein, denn das Handy habe in der vorderen Hosentasche einer eng anliegenden Jeans gesteckt.

Weil diese Masche bekannt ist, sind von der Bundespolizei speziell geschulte Fahnder in Zivil im Einsatz. Sie greifen zu, wenn sie eine Tat beobachten – wie im vorliegenden Fall in der Nacht zu Allerheiligen. Aber die Bundespolizei setzt auch auf technische Unterstützung: In den frühen Morgenstunden behalten sie vom Revier an der Königstraße aus auch die S-Bahn-Haltestellen im Zentrum durch die Überwachungskameras im Blick. Auf einem Bildschirm wurde am Wochenende vor den Feiertagen ein Taschendieb beobachtet. Die Beamten im Revier schickten ihre Kollegen, die auf Streife waren, los, und diese konnten den Tatverdächtigen fassen.