Nahverkehr Region Stuttgart S-Bahn: 2025 droht Negativrekord bei Baustellen

Die Probleme mit der S-Bahn reißen nicht ab – im Gegenteil. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Im Jahr 2025 ist die S-Bahn Stuttgart von zahlreichen Baustellen insbesondere für Stuttgart 21 betroffen. Für die leidgeprüften Fahrgäste kommt es noch heftiger als 2024.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Die Zukunft der S-Bahn Stuttgart ist purpur: In diesem Farbton sind die Schilder gehalten, die den Fahrgästen den Weg zu den Ersatzbussen weisen. Und sie werden im Jahr 2025 so oft zu sehen sein wie nie zuvor. „2025 wird ein Rekordjahr an Baustellen“, bekannte S-Bahn-Chef Matthias Glaub am Mittwoch im Verkehrsausausschuss der Region, die den S-Bahn-Verkehr bestellt und bezahlt.

 

Ersatzverkehr: Rekord in 2024 und düstere Prognosen für 2025

Dass es 2025 schlimmer werden könnte als 2024, erscheint schwer vorstellbar, legt man die Zahlen zugrunde, die Glaub in der S-Bahn-Bilanz fürs vergangene Jahr referierte. Die Busse des Ersatzverkehrs haben demnach im Jahr 2024 in der Region Stuttgart so viele Kilometer runtergespult, dass es für 43 Erdumrundungen gereicht hätte.

Die Regionalräte stellten die Versuche der S-Bahn nicht in Abrede, die Situation zu verbessern. Es bleibe aber häufig beim Versuch. Elmar Steinbacher (CDU) rechnete vor, dass es noch 70 Jahre dauere, bis man bei der Pünktlichkeit wieder das vereinbarte Niveau erreicht, wenn die Erholung im selben Tempo wie im vergangenen Jahr vonstattengehe. Michael Lateier (Grüne) sagte, dass die abgelieferte Leistung nicht das sei, was man erwarte und was vereinbart sei. Frank Buß (Freie Wähler) forderte, das Hauptaugenmerk auf die Ertüchtigung der Bestandsstrecken zu legen. Michael Makurath von der SPD-Fraktion stellte die Frage, wie es 2025 und 2026 zu bewerkstelligen sei, ein Angebot zu schaffen, das als solches auch wahrzunehmen sei. Gabriele Heise (FDP) wollte das Glas zumindest ein Viertel voll sehen, Philip Köngeter (Linke/Piraten/SÖS) baute darauf, dass die Situation 2025 besser werde, denn schlechter könne sie nicht werden.

Dicht gepackter Baustellenkalender der Bahn

Diese Hoffnung könnte enttäuscht werden, wenn man den Baustellenkalender zugrunde legt, den Stuttgart-21-Chef Olaf Drescher ebenfalls im Verkehrsausschuss präsentierte. Der basiert auf einer umfangreichen To-do-Liste, die die Bahn abarbeiten muss, will sie weiter an der Inbetriebnahme von Stuttgart 21 im Dezember 2026 festhalten.

Für S-Bahn-Fahrgäste wird das Jahr 2025 eine Herausforderung

Was das für die Fahrgäste bedeutet, legte Tobias Bückle von der DB-Netztochter Infra Go dar. Demnach wird es in der zweiten Jahreshälfte kaum eine Woche geben, in der es zu keiner Beeinträchtigung des Bahnverkehrs in Stuttgart und der Region kommt. Die sommerliche Sperrung der Stammstrecke, dem zentralen S-Bahn-Streckenabschnitt zwischen dem Hauptbahnhof und Stuttgart-Vaihingen, findet dieses Jahr in der Sommerferienzeit vom 26. Juli bis 5. September statt. Verschärfend kommt hinzu, dass die Bahn in der Zeit vom 25. August bis 5. September am Nordbahnhof und auf der Panoramabahn baut. Die S-Bahn-Linien 4, 5 und 6 sind dann nur alle halbe Stunde unterwegs. Auch wenn auf der Panoramastrecke nur ein Gleis zur Verfügung stehe, so könne der Pendelverkehr zwischen Hauptbahnhof und Vaihingen wie in den zurückliegenden Jahren fahren, versicherte Bückle.

Arbeiten in nahezu jedem Abschnitt des Netzes

Danach wandern die Baukolonnen ins Neckartal, genauer nach Obertürkheim. Dort sind sie im Zeitraum von 13. September bis 17. Oktober tätig, was die S-Bahn-Linien 1, 2 und 3 zu einem Halbstundentakt zwingt. Etwas unbestimmt mit „in der zweiten Oktoberhälfte“ sind Arbeiten terminiert, die dazu führen, dass die S 1 nur alle halbe Stunde fährt und nicht überall hält. Die S 3 entfällt zwischen Backnang und Winnenden, und die S 4 ist nur einmal in der Stunde unterwegs.

Im November macht sich die Bahn in Vaihingen ans Werk, woraufhin die Stammstrecke nur eingleisig befahrbar ist. Die S 1 fährt an den Wochenenden daher nur zwischen Kirchheim und Schwabstraße, bei der S 2 und S 3 gilt ein Halbstundentakt, und an den Wochenenden fährt die S 2 nicht zwischen der Innenstadt und Vaihingen, die S 3 kommt von Backnang nur bis Bad Cannstatt.

Vom 1. bis 21. Dezember ist die Bahnstrecke zwischen Bad Cannstatt und Fellbach wieder gesperrt. Die Linien S 2 und S 3 fahren von ihren jeweiligen Außenenden in Schorndorf und Backnang nach Waiblingen. Eine vergleichbare Unterbrechung hatte 2023 den Auftakt zum Baustellenmarathon im S-Bahn-Netz gebildet.

Verärgerung über unklare Zeitpläne

Die Regionalräte sahen sich von der Vielzahl an Sperrungen erschlagen. Richtiggehend verärgert war Lateier vom Auftritt der Bahn-Vertreter. Die Grünen hatten einen Inbetriebnahmefahrplan für Stuttgart 21 gefordert, sahen dies aber durch die Ausführungen von Drescher und Bückle keinesfalls erfüllt. Lateier: „Sämtliches Vertrauen in die Bahn ist aufgebraucht.“ An Drescher gewandt sagte er: „Sie sagen, der Zeitplan gilt. Das war auch schon in der Vergangenheit so, bis zu dem Zeitpunkt, an dem er nicht mehr galt.“ Der Grüne spielte damit auf das wiederholte Vorgehen der Bahn an, nach außen lange an Terminen festzuhalten, die zumindest in Zweifel gezogen werden konnten.

Altbekannte Formulierungen

Bereits in der vergangenen Woche hatte Bahn-Infrastrukturvorstand Berthold Huber in der SWR-Hörfunksendung „Leute“ die Frage nach der Eröffnung von Stuttgart 21 im Dezember 2026 mit der aus der Vergangenheit bekannten, aber schlussendlich nicht haltbaren Formulierung beantwortet: „Ich habe im Moment keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass es klappt.“

Die Regionalräte wollen die Bahn nun in die Pflicht nehmen – zumindest was die Organisation und die Finanzierung des Ersatzverkehrs angeht. Dem Vorschlag der Regionalverwaltung, der bundeseigene Konzern solle bis zum nächsten regulären S-21-Lenkungskreis im Mai „verlässliche Planungsgrundlagen für die 2025 und 2026 geplanten Sperrungen vorlegen“, auf deren Basis „die Thematik der Organisation und der Finanzierung der erforderlichen Schienenersatzverkehre diskutiert und gemeinsam eine verträgliche Lösungsfindung für die Fahrgäste erarbeitet“ wird.

Scharfe Kritik von Stuttgart-21-Gegnern

Bei den Stuttgart-21-Gegnern kam der Auftritt der Bahn nicht gut an. Der stelle „eine Verhöhnung der Fahrgäste und einen Realitätsverlust bei der Bahn dar“. Die Arbeiten an Stuttgart 21 und an der Digitalisierung der Leit- und Sicherungstechnik dürfe „nicht als Rechtfertigung beliebiger Zumutungen für die Fahrgäste dienen“, sagte Dieter Reicherter, Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21. Matthias Lieb, Qualitätsanwalt für die Fahrgäste in Baden-Württemberg, erklärte, „dass die Fahrgäste in den nächsten Monaten mit erheblichen Fahrplaneinschränkungen und damit einhergehenden Fahrzeitverlängerungen rund um Stuttgart rechnen müssen“.

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