Ein alltägliches Bild: Die S-Bahnzüge in der morgendlichen Spitzenzeit von 7 bis 8 Uhr sind proppevoll. Freie Sitzplätze gibt es so gut wie keine – und wer steht, rückt dem Nachbarn auf die Pelle. Der Verband Region Stuttgart hat die Lage analysiert und will Abhilfe schaffen.

Stuttgart - Wer kennt das nicht: alle Sitzplätze belegt, Gedränge im Stehbereich an den Türen. S-Bahn-Pendler können in den Hauptverkehrszeiten ein Lied davon singen. Und oft fährt das Unverständnis darüber mit, dass nicht immer die mit drei Einheiten behängten Langzüge mit einer Kapazität von mehr als 1000 Fahrgästen eingesetzt werden, sondern die aus zwei Einheiten bestehenden Vollzüge.

 

Wie die Engpässe bekämpft werden könnten, hat nun der Verband Region Stuttgart untersucht. Und die Regionalpolitiker haben am Mittwochnachmittag auch erste Beschlüsse gefasst. Grundlegende Verbesserungen sind indes nur möglich, wenn weitere S-Bahnen angeschafft werden. Dafür sprachen sich mehrere Fraktionen aus, allerdings werden die Züge des Typs ET 430 gar nicht mehr gebaut. Zudem sind Kosten und Finanzierung ungewiss.

Punktuelle Verbesserungen geplant

Die ersten Veränderungen wird es vom Fahrplanwechsel im Dezember 2018 an geben. Auf der S-2-Linie (Schorndorf – S-Vaihingen – Filderstadt) wird am frühen Abend ein Lang- statt eines Vollzugs eingesetzt. Auf der S 60 (Böblingen – Renningen – S-Schwabstraße) wird im mittäglichen Schülerverkehr ein Kurz- durch einen Vollzug ersetzt. Während der Adventszeit sollen von Montag bis Freitag abends bis 24 Uhr nur noch Vollzüge verkehren, weil dann wegen des Weihnachtsmarkts und der Firmenfeiern mehr Fahrgäste unterwegs sind. Das lässt sich der Verband jährlich 126 000 Euro kosten, die die DB erhält, die die S-Bahn im Stuttgarter Raum fährt.

Besonders belastet: die S 1

Damit wird die Kapazität aber nur bei einigen wenigen Fahrten, die stark besetzt sind, verbessert. Eine S-Bahn gilt für den Verband bei 125 Prozent der Sitzplatzkapazität als ausgelastet – also zu den Sitzenden noch 25 Prozent einen Stehplatz haben. Das sind pro Einheit bei 192 Sitzplätzen also 48 Stehplätze, was etwa vier stehenden Fahrgästen im Eingangsbereich entspricht. Werktags haben sechs von 788 Zugfahrten einen Stehplatzanteil von mehr als 50 Prozent, bei 28 Fahrten liegt er zwischen 25 und 50 Prozent – und das auf Abschnitten mit einer Fahrtzeit von rund 10 Minuten.

Die höchste Auslastung gibt es morgens von 7 bis 8 Uhr – und für diese Spitzenstunde, in der rund 70 000 der werktäglich mehr als 420 000 Fahrgäste transportiert werden, gibt es nur vage Aussichten auf Verbesserungen. In dieser Zeit reicht in allen S-Bahnen die Kapazität nicht mehr aus, wenn sie in der Nähe größere Städte sind. Die Auslastungen sind teilweise bei über 125 Prozent. Besonders eng ist es in der S 1 (Kirchheim/Teck – Herrenberg), vor allem zwischen Esslingen-Mettingen und Hauptbahnhof. Hinzu kommt, dass die Linien auf der unterirdische Stammstrecke höchst unterschiedlich ausgelastet sind: die S 1, S 2 und S 3, die über die Schwabstraße hinaus fahren, sind proppevoll, während S 4, S 5 und S 6, die in der Schwabstraße enden, schwächer besetzt sind. Das liegt daran, dass viele Fahrgäste schon am Hauptbahnhof auf die Linien S 1 bis S 3 wechseln.

Fährt eine Linie bis S-Vaihingen?

Was lässt sich tun? Wenn alle S-Bahnen in der Stunde von 7 bis 8 Uhr als Langzüge fahren würden, werde die Kapazität um bis zu 20 Prozent erhöht. Doch das erfordere genauso neue Fahrzeuge wie eine „weiterer möglicher Ansatz“, so der regionale Verkehrsdirektor Jürgen Wurmthaler: die Führung einer der drei Nordlinien (S 4, S 5 und S 6) über die Schwabstraße hinaus nach Stuttgart-Vaihingen, wo viele Fahrgäste (Universität, Gewerbegebiet) hin wollten. Neben neuen Zügen sei dafür auch den Einbau der modernen Signaltechnik ETCS notwendig. Beides ist noch nicht weit von der Realisierung entfernt.

Kritik des VCD

Der ökologische orientierte Verkehrsclub Deutschland (VCD) fordert, dass rasch eine zusätzliche S-Bahnlinie nach Stuttgart-Vaihingen geführt werde. „Die Planungen sollten zügig vorangetrieben werden und nicht erst auf die Zeit nach der Fertigstellung von S 21 ausgerichtet werden“, sagt Landesvorsitzender Matthias Lieb. Wenn es weniger Umsteiger im Hauptbahnhof gebe, sei dies ein wichtiger Beitrag für mehr Pünktlichkeit der S-Bahn.