In einer großen Studie lässt der Verband Region Stuttgart neue Strecken für die S-Bahn untersuchen, zum Beispiel zwischen Leonberg und Ludwigsburg.

Stuttgart - In diesem Monat feiert die S-Bahn in der Region Stuttgart ihren 40. Geburtstag. Am 1. Oktober 1978 eröffnete der damalige Bundesverkehrsminister Kurt Gscheidle die ersten drei Linien der S-Bahn. Darunter war auch damals schon die S 6, die seitdem zwischen Weil der Stadt und Stuttgart-Schwabstraße pendelt.

 

Und das wird die S 6 auch in Zukunft noch lange tun, denn an dieser Bahn-Veteranin wird nicht gerüttelt. Dennoch verändert sich einiges: Um 20 Prozent ist zum Beispiel allein die Zahl der Fahrgäste in den vergangenen Jahren gestiegen. „Zudem wollen wir auch künftig noch neue Fahrgäste dazubekommen“, sagt Jürgen Wurmthaler, der Verkehrsdirektor beim Verband Region Stuttgart (VRS).

Der VRS ist der „Aufgabenträger“ der S-Bahn, das heißt, er bestimmt, wo, wann und wie oft eine S-Bahn fährt und finanziert das System, wofür er unter anderem Bundesmittel bekommt. Wie kann man der hohen Fahrgastnachfrage auch zukünftig gerecht werden? Das herauszubekommen, war die Aufgabe einer großen Studie, die das „Verkehrswissenschaftliche Institut Stuttgart“ (VWI) im Auftrag des VRS erstellt hat. Die Ergebnisse liegen jetzt vor.

1. Weil der Stadt wird besser angebunden

Von allen Ergebnissen der Studie kommen die Maßnahmen auf der Linie S 6 am wahrscheinlichsten. Die S 6 zwischen Weil der Stadt, Leonberg und Stuttgart ist die Traditionslinie der S-Bahn, und geprägt von einigen Besonderheiten. Zum Beispiel muss sie sich ihre Gleise nicht mit einem Regionalzug teilen. Die Nachfrage der Fahrgäste konzentriert sich darum ausschließlich auf die S-Bahn – dementsprechend hoch ist die Auslastung. „Daraus resultiert unser Gedanke, ob wir auf der Linie der S 6 noch zusätzliche Verstärkerzüge fahren lassen können“, erklärt Jürgen Wurmthaler, der VRS-Verkehrsdirektor.

Verschiedene Varianten wurden in dem VWI-Gutachten untersucht. Am meisten Nutzen verspricht man sich von einer zusätzlichen Linie S 62 zwischen Weil der Stadt und Feuerbach. 9000 zusätzliche Fahrgäste pro Tag könnten mit einer solchen Bahn fahren, hat das Gutachten ergeben. Halbstündlich würde diese S 62 dann zwischen die ohnehin schon im Viertelstundentakt fahrende S 6 geschoben. Alle 7,5 Minuten hätte dann zum Beispiel ein Weil der Städter die Gelegenheit, nach Leonberg zu kommen. Zwölf neue S-Bahnzüge bräuchte der Verband Region Stuttgart für diese neue Linie, mit Kosten bis zu fünf Millionen Euro müsste man rechnen.

Warum aber fährt die S 62 nur bis Feuerbach und nicht gleich bis nach Stuttgart? Das liegt an der Stammstrecke unter dem Hauptbahnhof, in die keine zusätzlichen Züge mehr passen. 24 S-Bahnen fahren heute schon pro Stunde und Richtung – mehr geht nicht.

Und noch einen Nebeneffekt hätte diese Linie, die einigen Verkehrspolitikern im Kreis Böblingen nicht ungelegen käme. Knackpunkt ist nämlich der Abschnitt zwischen Weil der Stadt und Malmsheim, der   nur eingleisig ist. „Diese zusätzliche S-Bahn und eine Hesse-Bahn wären dort nicht möglich“, sagt Wurmthaler. Sprich: die Hesse-Bahn wäre dort ausgesperrt.

Auf politischer Ebene bekämpft der Verband Region Stuttgart die Hesse-Bahn, weil er befürchtet, dass sie das ganze S-Bahn-Netz stört, wenn sie einmal von Calw kommend in Weil der Stadt auf S-Bahn-Gleise einfährt, um weiter nach Renningen zu pendeln. Jürgen Wurmthaler bestreitet auf Nachfrage nicht, dass dies auch einer der Gründe für das vorliegende Gutachten war. „Als Region Stuttgart setzen wir darauf, dass das die aktuelle Diskussion um die Hesse-Bahn beeinflusst“, sagt er.

Derzeit ist zudem ein anderes Gutachten in Arbeit, das untersucht, ob die Verlängerung der S-Bahn wirtschaftlich wäre. Im VRS, aber auch bei einigen Kreistagsfraktionen in Böblingen und in den Rathäusern Weil der Stadt und Renningen macht man schon lange kein Geheimnis mehr daraus, dass man sich diese Version der Anbindung an Calw mehr wünscht. Noch in diesem Jahr sollen die Ergebnisse vorliegen.

„Dann müssen wir mit Calw und auch mit der Landesregierung diskutieren“, sagt Wurmthaler. Dort wisse man, dass sein Verband an diesen Plänen arbeitet.

2. S 8 - S-Bahn von Leonberg nach Ludwigsburg hat wenig Chancen auf Realisierung

Eine Direktverbindung aus dem Heckengäu in den Raum Ludwigsburg? Auch das wurde untersucht, zum Beispiel eine neue Linie S 8, die von Leonberg über Korntal, die Salzwegtrasse und durch den Rangierbahnhof in Kornwestheim nach Ludwigsburg fahren würde. 4500 Fahrgäste könnten diese Linie pro Tag nutzen.

Knackpunkt sind allerdings die hohen Investitionskosten. Das sei „sehr aufwendig und im laufenden Betrieb schwierig zu realisieren“, heißt es in dem Gutachten. Bis zu 22 Millionen Euro würde der Ausbau der so genannten Salzwegtrasse zwischen Korntal und Kornwestheim kosten. Zudem sind die Auswirkungen auf den Güterverkehr noch gar nicht untersucht.

Im Verband Region Stuttgart sieht man daher kaum Chancen auf eine Realisierung. Das betrifft auch andere Überlegungen, die zum Beispiel der Ludwigsburger Oberbürgermeister Werner Spec in die Diskussion eingebracht hat. Etwa eine Verbindung zwischen Leonberg und Ludwigsburg mit Wasserstoffzügen.

3. Strohgäu-Bahn wird nicht verlängert

Die Strohgäu-Bahn endet derzeit in Korntal. Eine Weiterfahrt auf den S-Bahn-Gleisen wäre theoretisch möglich. Praktisch stößt diese Variante aber auch an Grenzen, hat das Gutachten ergeben. 1700 Fahrgäste kämen zum Beispiel zusätzlich hinzu, wenn die Strohgäu-Bahn bis Feuerbach weiterfährt. Allerdings sind das weniger als bei der möglichen neuen S-Bahn-Linie 62 zwischen Feuerbach und Weil der Stadt.

„Da müssen wir ehrlich bleiben“, sagt Jürgen Wurmthaler vom Verband Region Stuttgart. „Wenn wir die S-Bahn dort verdichten, dann können wir nicht zusätzlich auch noch die Strohgäu-Bahn verlängern.“ Denn deren Verlängerung hätte weitere Nachteile: Ein Dieselzug wäre dann auf einer elektrifizierten Strecke unterwegs und die Bahnsteighöhen würden nicht stimmen. Auch die Verlängerung der Strohgäu-Bahn nach Ludwigsburg wurde geprüft. Diese Linie hätte zwei zusätzliche Haltestellen. Allerdings ist der Ausbau der Salzwegtrasse sehr teuer.

4. S 1 - Mehr Züge für Böblingen

Auch die andere Seite des Landkreises, die Region um Böblingen, haben die Gutachter unter die Lupe genommen. Darunter ist ein Vorschlag, den der Verband Region Stuttgart jetzt weiterverfolgen will: Nämlich die Weiterführung der S-BahnLinien, die bisher in Stuttgart-Schwabstraße enden. Das sind die Linien S 4 (aus Backnang), S 5 (aus Bietigheim) und S 6 (aus Weil der Stadt).

Dafür muss zunächst die Signaltechnik zwischen Schwabstraße und Vaihingen verbessert werden. „Perspektivisch können diese Linien dann bis Böblingen fahren“, kündigt Jürgen Wurmthaler an.

5. S 7 - Eine neue S-Bahn von Böblingen nach Göppingen ist zu teuer

Auch bei Böblingen gäbe es noch den großen Wurf: Die zusätzliche S 7 zwischen Böblingen und Plochingen oder Göppingen. Je nach Variante würde das etwa eine Milliarde Euro kosten. „Das ist ein großes Wort“, sagt Jürgen Wurmthaler, der Verkehrsdirektor beim Verband Region Stuttgart. Denn für diese S 7 bräuchte es eine komplett neugebaute Strecke, die von Böblingen über den Flughafen, einen neuen Haltepunkt in Denkendorf und Plochingen ins Filstal bis nach Göppingen führen würde. „Nach meiner Einschätzung kann man da nicht erwarten, dass es für diese Linie zu einer Realisierung kommt“, sagt der Verkehrsdirektor Jürgen Wurmthaler.

Wie geht’s jetzt weiter?

Der Verkehrsausschuss des Verbands Region Stuttgart hat die Ergebnisse des Gutachtens diskutiert. Dabei hat man sich auf einen Ausbau in drei Stufen geeinigt. Mit sehr hoher Priorität will man weitere S-Bahn-Züge anschaffen und die Signaltechnik auf der Stammstrecke zwischen Hauptbahnhof und Schwabstraße verbessern. Mit hoher Priorität will man die Weiterfahrt der S 4, S 5 oder S 6 bis Vaihingen und die Einführung der Linie S 62 zwischen Weil der Stadt und Feuerbach verfolgen. Mit Priorität kommt dann die Verlängerung von S 4, S 5 oder S 6 bis Böblingen.