Die Studenten des Internationalen Zentrums für Kultur- und Technikforschung an der Universität Stuttgart produzieren immer wieder tolle Ideen für die Entwicklung der Stadtquartiere. Doch meistens fehlt der letzte Schritt zur konkreten Umsetzung.

Stuttgart - Zuweilen muss sich Wissenschaft den Vorwurf gefallen lassen, sie forsche und lehre weit abgeschieden und unberührt von der Welt. Ganz ohne Bodenhaftung, frei schwebend im Spezialistentum. Auch an der Universität Stuttgart kennt man diese (Vor-)Urteile. „Daher hatten wir die Vision von einem Wissenstransferprojekt“, sagt Elke Uhl, „wir wollten neben Forschung und Lehre in der Gesellschaft verantwortlich agieren. Wir wollen Wissenschaft aus dem Elfenbeinturm herausholen.“

 

Damit war im Grunde im Jahr 2002 das Internationale Zentrum für Kultur- und Technikforschung – kurz IZKT – geboren, dessen Geschäfte Uhl leitet. Dahinter verbirgt sich nun laut der Geschäftsführerin „eine am Gemeinwohl orientierte Arbeit, die sich an Diskussionen orientiert, die die Stadt umtreiben“.

Stichworte sind Mobilität, Digitalisierung, Klima, Quartiersentwicklung oder der Umgang mit erneuerbaren Energien. Allerdings mit einem anderen wissenschaftlichen Zugang – mit einem komplexeren Ansatz. „Der Forscher, der Spezialist, hat andere Ziele“, sagt Uhl, „die Idee des IZKT ist, dass die Uni Wissenschaft in der Stadt, mit der Stadt und für die Stadt betreibt.“

Hospitalviertel als Reallabor

Um diesen „gesellschafts-relevanten Zukunftsbeitrag“ (Uhl) zu leisten, hat das IZKT keine klassische Instituts-Struktur. Studenten können dort in Projekten natürlich auch Punkte sammeln und fächerübergreifende Schlüsselqualifikationen erwerben. Was sich zunächst gut anhört, hat auch seine Nachteile. Denn nach einem Semester ziehen die Studenten in der Regel weiter. Bedeutet: Aus ihrer kreativen Arbeit, die den Weg aus dem Elfenbeinturm in ein Stadtviertel geschafft hat, wird meistens nichts Konkretes realisiert.

Ein Beispiel aus dem Hospitalviertel, einem der Lieblings-Reallabore des IZKT und seiner Studenten. Die Ausgangsfrage dort lautet: „Wie kann aus einem Transitraum ein attraktiver Lebensort werden?“ Mit viel Hirnschmalz präsentierten die Arbeitsgruppen anlässlich des Hospitalviertelfestes mehrere gute Konzepte. Ein Vorschlag war dabei eine neue Wegeführung, die eine bessere Orientierung im Quartier bietet. Dieser Weg sollte nicht nur barrierefrei sein und durch haptische Elemente auch für Blinde deutlich zu erkennen sein, er sollte auch manche attraktive Überraschung an verschiedenen Stationen bieten.

Und weil die Gedanken frei sind, hatte die Station eins nicht nur ein offenes Bücherregal, sondern auch einen mit Solarstrom betriebenen Monitor, der Bilder und Zusatzinfos zum Quartier bietet. Station zwei sollte ein Parlaments-Parklet am Leuschnerplatz sein. Ein offenes Bücherregal als Forum und Podium für Graswurzeldemokratie, das gleichzeitig als Bücherregal nutzbar ist. Weitere Stationen-Ideen sind etwa die Stuttgarter Pop-Geschichte bei Second-Hand-Records zu zeigen, eine Bildergalerie zur Geschichte der Synagoge in der Hospitalstraße oder Infos zur Entnazifizierung im Jugendhaus Mitte.

Vom Transitraum zum Lebensort

Kurzum: Viele gute Ideen, die von den Studenten unter folgender Formel zusammengefasst wurden: Transitraum plus Lebensort ist gleich Aufenthaltsraum. Das Ziel der Ausgangsfrage wäre damit erreicht. Allerdings eben nur auf dem Papier. Denn mit der Umsetzung, hier dank eines neuen Wegesystems das Geschichts- und Demokratiebewusstsein zu stärken, wird es wohl nie etwas werden. Der letzte Meter aus dem Elfenbeinturm auf die Straße scheint der schwerste zu sein.

„Am Ende sind die Studierenden weg“, sagt Elke Uhl, „das System ist nicht geeignet zur letztendlichen Umsetzung. Das zu verändern, bedeutete, ein ganz dickes Brett zu bohren.“ Mit System meint Elke Uhl auch die Verwaltung. Doch die entgegnet durch einen Sprecher: „Man muss halt auch an eine Tür klopfen, wenn man etwas möchte.“ Zudem gebe es die Möglichkeit des Bürgerbeteiligungsportals, den Weg über die Bürgermeister oder schließlich über den Gemeinderat. Doch diese Arbeit sei laut Elke Uhl vom IZKT nicht zu leisten. Es fehle an Zeit, Geld und Menschen. Das sieht auch Pfarrer Eberhard Schwarz, der Vorstandsvorsitzende des Vereins Forum Hospitalviertel, so: „Wir sind da als Verein ganz klar in der Pflicht, auf diese Dinge aufmerksam zu machen, und müssen die entsprechenden Anknüpfungspunkte in der Verwaltung suchen, damit solche Projekte realisiert werden können. Natürlich brauchen wir die Politik dazu.“

Wer weiß, vielleicht kann man über solche Dinge bald im Miniparalaments-Parklet debattieren und die Sache fertigentwickeln.